07. Oktober 2016

Chance für mental beeinträchtigte Kriegskinder

Kinder mit Behinderungen haben es in Syrien besonders schwer. Häufig werden sie von den Eltern vernachläßigt, da diese selbst ums Überleben kämpfen. Die Zentren von «Le Sénevé» in Homs sind ein Lichtblick. Hier werden 100 beeinträchtigte Kinder tagsüber betreut.

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Das Zentrum in der Altstadt von Homs war 2012 von den Rebellen besetzt und beschädigt worden. Nach der Befreiung durch die syrische Armee wurde das grösste Zentrum von «Le Sénevé» saniert und wiedereröffnet. Bei seiner letzten Syrienreise im September 2016 besuchte CSI-Nahost-Projektleiter John Eibner die Einrichtung in Syriens drittgrösster Stadt. «Ich bin sehr beeindruckt, mit welchem Engagement sich die Betreuerinnen um die 40 Kinder kümmern, die unter der Woche tagsüber hier sind. Ich freue mich deshalb, dass wir diese wertvolle Arbeit unterstützen können», bemerkt er.

Kinder machen grosse Fortschritte

Samia Jerij, Ordensschwester von «Sisters of the Sacred Heart», leitet das Zentrum mit viel Herzblut. Am liebsten würde sie noch mehr Kindern mit Behinderungen einen Platz anbieten: «Es schmerzt mich sehr, wenn wir Kinder wegen Platzmangel abweisen müssen. Denn wir sehen, welche Fortschritte sie hier machen.»

Die meisten Kinder und Jugendlichen im Zentrum leiden an Trisomie 21, Autismus oder psychischen Erkrankungen. Im Zentrum der Homser Altstadt kümmern sich die Be­treuer liebevoll um sie. Ihre Fähigkeiten werden durch individuellen Stützunterricht, Spiele, gestalterische oder auch sportliche Aktivitäten gezielt gefördert. Soweit als möglich werden die Kinder auf ein Leben in Selbständigkeit vorbereitet. Schwester Samia geht davon aus, dass rund ein Drittel seinen Lebensunterhalt einmal selbst bestreiten könnte. Sie bleibt realistisch: «Natürlich wird es für sie nicht einfach sein, eine Arbeit zu finden. Es gibt in Syrien ja viele gesunde Menschen, die ohne Job sind».

Auch Eltern werden unterstützt

Für die Kinder und ihre Eltern ist das Zentrum auf jeden Fall ein Segen, gerade in dieser schweren Zeit. Durch die grosse Not des Krieges sind viele Eltern am Rande ihrer Kräfte. «Für die besonderen Bedürfnisse, die Kinder mit Behinderungen haben, ist kein Raum mehr», berichtet Schwester Samia. «Sie erfahren wenig Zuwendung. Es fehlt an der nötigen Geduld. Manchmal kommen sie sogar beim Essen zu kurz.»

Um diesem Missstand zu begegnen, lädt das Zentrum die Mütter der betreuten Kinder zweimal im Monat zum «Mom’s Club» ein. Hier erfahren sie mehr über die persönlichen Beeinträchtigungen ihrer Kinder und lernen auch, wie sie mit der Situation besser umgehen und ihre Kinder gezielt begleiten können. Für Schwester Samia sind die betreuten Kinder ein Geschenk Gottes, das viel Freude bereiten kann. Sie erinnert sich: «Zur Zeit des Krieges in Homs sangen und tanzten sie, während zeitgleich Mörsergranaten herunterfielen.»

Gleichwohl kann die erfahrene Leiterin die Sorgen und Nöte der Eltern gut nachvollziehen. Die finanzielle Lage ist durch den Krieg sehr schwierig geworden. Deshalb erhalten die 40 Kinder im Zentrum auch Kleidung und werden regelmässig verpflegt.

Doch die Arbeit der Zentren von «Le Sénevé» hat noch einen weiteren wichtigen Effekt. In einem Land wie Syrien, mit überwiegend muslimischer Bevölkerung, stammen natürlich viele der betreuten Kinder aus sunnitischen Familien. Die gute Arbeit unter christlicher Leitung wird in der Gesellschaft sehr deutlich wahrgenommen. «Muslimische Eltern vertrauen ihre Kinder in der Regel gerne einer christlichen Institution an», beobachtet Schwester Samia. So kommt es zu Begegnungen unter Menschen, die die gleichen Probleme und Nöte haben. Die Bedeutung von religiösen Trennlinien wird klein. Die Liebe Gottes wird gross.

Reto Baliarda


Ein guter Arbeitgeber

Insgesamt arbeiten 44 Fachkräfte in den drei Zentren von «Le Sénevé», die meisten davon in jenem in der Altstadt von Homs. Einige der Mitarbeiter sind intern Vertriebene, die ihr zerstörtes Haus verlassen mussten und Angehörige durch den Krieg verloren haben. In diesen ungewissen Zeiten bietet ihnen die feste Arbeitsstelle wieder etwas Normalität und ermöglicht es, für die eigene Familie zu sorgen.

Weiterer Bericht:
CSI hilft beeinträchtigten und traumatisierten Kindern

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