25. November 2017

Christen haben Hoffnung für die Zukunft

Nach jahrelangem Bürgerkrieg beruhigt sich die Lage in Syrien allmählich. Religiöse Minderheiten stehen zwar immer noch unter Druck. Doch alleine der Umstand, dass CSI-Partnerin Schwester Sara wieder mit ihrem richtigen Namen, Marie-Rose, genannt werden kann, ist ein hoffnungsvolles Zeichen.

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Sechseinhalb Jahre nach Ausbruch des Kriegs in Syrien befinden sich islamistische Terrorgruppen wie der Islamische Staat und al-Qaeda auf dem Rückzug. In Städten, die einst von blutigen Gefechten heimgesucht wurden, herrscht nun weitgehend Frieden. Die Elektrizitäts- und Wasserversorgung werden instand gesetzt. Vertriebene Menschen – darunter tausende von Christen – kehren allmählich wieder in ihre verlassenen Häuser zurück.

Doch an manchen Orten wird noch immer gekämpft. Die Ungewissheit über die Zukunft bleibt bestehen. Sicher ist, dass jede Art von Wiederaufbau in Syrien äußerst kompliziert und langwierig sein wird.

Der Islamische Staat und Al Qaeda wollen das Christentum in Syrien nach wie vor vernichten. Nicht zuletzt deshalb setzt CSI alles daran, die einheimischen Christen zu unterstützen, damit sie in ihrem Land bleiben können. Dazu bedarf es aber mehr als Nahrungsmittelhilfe und medizinischer Betreuung. Kinder brauchen eine Zukunftsperspektive. In Zusammenarbeit mit den Partnern vor Ort versucht CSI, den Kindern mit Schulbildung diese Perspektive zu geben.

CSI-Nahost-Projektleiter John Eibner bereiste im Herbst 2017 diverse syrische Städte, in denen CSI langfristige Hilfe leistet. Im Folgenden werden einige Eindrücke aus seiner Syrien-Reise geschildert.

Tartus – Unterricht in Kriegszeiten

Die Küstenprovinz Tartus blieb vom Krieg weitgehend verschont. Hunderttausende von intern vertriebenen Kriegsopfern aus allen Re­gionen Syriens haben hier Zuflucht gefunden. CSI arbeitet in Tartus mit einer katholischen Ordensschwester zusammen, die aus Sicherheitsgründen bislang «Schwester Sara» genannt wurde. Da sich nun die Sicherheitslage gebessert hat, kann in den Publikationen wieder ihr wahrer Name verwendet werden: Schwester Marie-Rose von den Herz-Jesu-Schwestern.

Kindern, die vor Krieg und Genozid fliehen mussten, hilft Schwester Marie-Rose, damit sie weiterhin in die Schule gehen können. Im Zentrum in Tartus, das die unermüdliche Ordensschwester mit Hilfe von CSI leitet, treffen sich Kinder verschiedenster religiöser Herkunft, um gemeinsam zu spielen, lernen und zu gestalten.

Mädchen aus einem konservativen muslimischen Elternhaus können häufig keine gemischten Schulklassen besuchen, da die Väter es ihnen nicht erlauben. Doch als eine Frau des Glaubens gewinnt Schwester Marie-Rose häufig das Vertrauen dieser Väter. Die Töchter blühen bei ihr im Unterricht auf. Und Knaben, die für ihre Familien zwölf Stunden im Tag in einer Fabrik arbeiten, können im Zentrum spielen, wie sie es vor dem Krieg getan hatten. Schwer traumatisierte Kinder lernen wieder zu lachen. Das Zent­rum bietet den Kindern eben nicht nur Unterricht. Es begleitet sie auch im Heilungsprozess.

Sarah, eine junge Helferin von Schwester Marie-Rose, ist von der Arbeit im Zentrum derart überzeugt, dass sie sogar das Angebot in den Wind schlug, in den Vereinigten Staaten studieren zu können. Sie engagiert sich stattdessen lieber für die benachteiligten Kinder in Tartus. «Kinder sind das Allerwichtigste: Erwachsene sind das Abbild dessen, was sie als Kind erlebt haben», bemerkt sie. Die Kinder von Tartus würden Syriens Zukunft abbilden.

Homs: Ausbildung für die Bedürftigsten

Praktisch alle 100 000 Christen in Homs flüchteten, als islamistische Rebellen 2012 einen Großteil der Stadt einnahmen. Seit der Rückeroberung durch die Regierung im Jahr 2014 kehren zusehends mehr Christen zurück.

Auch Schwester Marie-Rose gehörte zu jenen, die 2012 Homs fluchtartig verlassen mussten. Die Rebellen hatten das Kloster ihres Ordens gestürmt und schwere Verwüstungen hinterlassen. Vor dem Krieg hatte sich die Organisation «Le Sénevé» (Das Senfkorn) im Kloster der Schwestern eingemietet. In «Le Sénevé» werden Kinder mit besonderen Bedürfnissen gefördert, allen voran Kinder mit Down-Syndrom und Autismus. Sie erhalten eine auf sie zugeschnittene Therapie und eignen sich Fähigkeiten für den Alltag an.

Die Schwestern setzten die Sanierung des Zentrums zuoberst auf die Prioritätenliste, als sie nach dem Abzug der Dschihadisten zum beschädigten Konvent zurückkehrten. Mit Unterstützung von CSI wurde das Zentrum instand gesetzt, sodass im April 2016 die Wiedereröffnung stattfand. Zudem eröffneten die Schwestern neue Zentren in anderen Stadtteilen von Homs. Heute bieten diese Zentren Ausbildungs- und Betreuungsplätze für 100 Kinder mit besonderen Bedürfnissen an. In einer Stadt, die durch den Krieg derart in Mitleidenschaft gezogen wurde, bedeutet eine solche Investition in die Zukunft der Kinder ein Hoffnungszeichen für alle.

Aleppo: Ungewissheit nach der Heimkehr

Mehr als vier Jahre wütete die gnadenlose Schlacht um Aleppo. Während der eine Teil der Stadt, die vor dem Krieg rund 2,5 Millionen Einwohner hatte, von der Regierung kontrolliert wurde, war der andere unter Kontrolle von islamistischen Rebellen. Dabei wurden alle Christen, Alawiten und gemäßigten Sunniten von den Rebellen verjagt. Hunderttausende Menschen, darunter drei Viertel aller Christen in Aleppo, mussten aus ihrer Heimat fliehen.

Nach monatelangem Bombardement gelang es der Regierung im Dezember 2016, die ganze Stadt zurückzuerobern. Bis heute sind über 600 000 Geflüchtete nach Aleppo zurückgekehrt. Doch viele fanden ihr Haus halb zerfallen vor – ebenso wie die Schulen und Häuser der Nachbarn.

In Aleppo begegnete John Eibner u.a. einer Familie, die kürzlich von Tartus nach Aleppo zurückgekehrt ist. Ihre Tochter Walla, ein Teenager, hatte am Programm von Schwester Marie-Rose teilgenommen. Walla bedankt sich herzlich: «Was Sie mir in Tartus ermöglicht haben, war so großartig, und Sie haben nicht einmal etwas dafür verlangt.» Doch in Aleppo hat Walla keinen Zugang mehr zur Schulbildung. Jenseits der Wände ihres geplünderten Hauses blickt sie im Moment einer tristen Zukunft entgegen.

Wie in Homs, so war auch der Konvent der Herz-Jesu-Schwestern in Aleppo arg demoliert worden. Dank der Hilfe von CSI konnte ein Teil des Klosters wieder eröffnet werden. Dieser Teil beherbergt aus­ser­dem eine Schule eines anderen Ordens. Schwester Marie-Rose und ihre Mitschwestern wollen nun ihren eigenen Schulbetrieb starten, um den Kindern von Aleppo eine Zukunftshoffnung zu geben. CSI wird diese wichtige Mission mitfinanzieren.

Eine christliche Frau, die John Eibner in Aleppo kennenlernte, war 2013 mit ihrem syrischen Ehemann und den Kindern in ihre ursprüngliche Heimat Venezuela geflüchtet. Doch nachdem sich die Lage in Venezuela dramatisch verschlechtert hatte, flogen sie zurück nach Syrien. Im September 2017 kehrte die Familie schließlich nach Aleppo zurück. Die Frau ist voller Hoffnung: «Eines Tages werden wir hier wieder leben können wie vor dem Krieg.»

Joel Veldkamp | Reto Baliarda

 

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