05. Februar 2014

Der Tag, an dem die Kirchen brannten

Etwa 700 Schüler wurden in der alten Schule der Franziskanerinnen in Beni Suef unterrichtet. Am 14. August 2013 wurde die Schule zerstört. CSI besuchte die Schwestern, denen nichts blieb als die Kleider an ihrem Leib.

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Es war noch früh am Morgen, als die Pogrome begannen. Schwester Halima (Name geändert) hörte, wie ein Scheich mit seinem Auto an der Schule vorbeifuhr und über Lautsprecher alle gläubigen Muslime aufrief, auf die Straße zu gehen. Schon seit Monaten hatte man antichristliche Parolen von den Minaretten ausgerufen. Im Juli 2013, während des islamischen Fastenmonats Ramadan, hatten die Muslimbrüder beinahe täglich Märsche zum Platz vor der Schule organisiert. Doch diesmal war es ernst. Bald bildete sich ein großer Mob vor der Schule. Sie verbrannten Autoreifen und skandierten «Kafir, Kafir» (arabisch für «ungläubig»).

Es war der 14.  August 2013, ein Tag, den die Christen Ägyptens nie vergessen werden. An diesem Tag begannen in ganz Ägypten Anschläge gegen Christen; mehr als 130 christliche Institutionen, Kirchen, Schulen, Läden und Wohnhäuser von Christen wurden attackiert. Acht Menschen starben.

Schüsse vor der Schule

Als Schwester Halima, eine der Franziskanerinnen in Beni Suef, die wütende Menschenmenge sah, sagte sie die geplante Besprechung ab: «Ich rief die Lehrer an und sagte ihnen, sie sollten lieber zu Hause bleiben», erzählt uns Schwester Halima. «Schüler waren zum Glück keine im Gebäude, da gerade Sommerferien waren.» Im Schulgebäude waren außer ihr noch zwei weitere Franziskanerinnen, zwei Lehrer (davon einer ein Muslim), zwei Betreuer und sechs Frauen, unter ihnen eine Muslimin. Während die Menge draußen immer lauter wurde und man Schüsse fallen hörte, harrten sie im Obergeschoss der Schule aus, wo sich die Wohnräume der Schwestern befanden. «Schließlich kam die Polizei und feuerte Tränengas in die Menge», erzählt Schwester Halima. Der Mob ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken und begann, Steine zu werfen. Nach einer Viertelstunde zog sich die Polizei zurück. «Dann sahen wir, wie einige Männer durch ein geborstenes Fenster im Erdgeschoss in die Schule eindrangen.» Mutig ging Schwester Halima die Treppe hinunter, um die Männer aufzuhalten, doch sie hatten bereits die Bibliothek in Brand gesetzt. Sie drohten, das ganze Gebäude zu zerstören, wenn die Schwestern die Hilfe des Militärs suchen würden. Schließlich zog der Mob weiter und griff eine Polizeistation, das Gerichtsgebäude und den Sitz des Gouverneurs an.

Wie Kriegsbeute vorgeführt

Gegen Mittag kam der Mob zurück zur Schule. «Wir haben gesiegt!», schrien sie und drangen mit automatischen Waffen, Pistolen und Messern erneut in die Schule ein. «Der Anführer war kein Ägypter. Er trug eine Gallabija (traditionelles Gewand) und einen Turban und hatte einen fremden Akzent», erinnert sich Schwester Halima. «Er schrie, dass die Christen alle Kuffar (Ungläubige) und Hunde seien, kletterte auf das Dach, brach das Kreuz ab und hisste eine al-Qaida-Flagge.»

Schwester Halima beobachtete vom Obergeschoss aus, wo sie sich verschanzt hatte, wie die Menschenmaße das Gebäude plünderte und in Brand setzte; auch Schüsse waren erneut zu hören. Die Muslime durften das Gebäude ungehindert verlassen. Zwei christliche Frauen, die dasselbe versuchten, wurden jedoch misshandelt.

Schließlich gelang es einem Angreifer, in das Obergeschoss einzudringen. Er drängte die Schwestern und die Schulangestellten hinaus. «Sie zwangen uns, durch die Straßen zu marschieren, und führten uns vor wie Kriegsbeute», erzählt Schwester Halima. Dabei kamen sie am Haus einer muslimischen Krankenschwester vorbei, die früher in der Schule gearbeitet hatte. Der Krankenschwester gelang es, die Franziskanerinnen in ihr Haus zu bringen. «Sie war sehr mutig. Wir durften mehrere Nächte bei ihr übernachten.» Danach kamen die Schwestern bei Pater Samuel, einem katholischen Priester, unter. «Wir hatten nur noch die Kleider, die wir am Leib trugen», sagt Schwester Halima.

Die etwa 150 Jahre alte Schule wurde praktisch komplett zerstört, beinahe jeder Raum hat schwere Brandschäden. Computer und Möbel wurden entwendet, die Waschtische im Hof und die Stromkabel aus der Wand gerissen. Die Schulkapelle wurde besonders stark zerstört; Marienstatuen und der Altar wurden zerschlagen. Im Obergeschoss ist auf der Straßenseite der Boden eingebrochen, die Wände sind übersät mit islamistischen Parolen und Gebeten. Auf dem Parkplatz steht ein ausgebranntes Autowrack – es gehörte einem der Betreuer.

CSI hilft den Franziskanerinnen, wieder auf die Beine zu kommen und ihre Arbeit weiterzuführen. Die 700 Kinder können vorübergehend die Räume einer anderen christlichen Schule nutzen, allerdings nur am Nachmittag.

Autoren: Joel Veldkamp | Luise Fast

 


 

Ägypten nach Präsident Mursi

Nach monatelangen Protesten und Massendemonstrationen wurde am 3.  Juli 2013 der Präsident und Muslimbruder Mohammed Mursi vom Militär gestürzt. Viele begrüßten das Eingreifen der Armee, während Mursis Anhänger vehement protestierten. Sie gaben die Schuld nicht zuletzt den Christen, da sich der koptische Papst Tawadros II. öffentlich auf die Seit des Militärs stellte.

In Folge des Umsturzes kam es in ganz Ägypten zu tumultartigen Auseinandersetzungen zwischen den Muslimbrüdern und dem Militär, die mehrere

hundert Todesopfer forderten. Dabei griffen Muslimbrüder in ganz Ägypten auch gezielt christliche Einrichtungen, Kirchen, Wohnungen und Geschäfte an.

Am 15.  Januar 2014 stimmte die Mehrheit der Bevölkerung für die neue Verfassung. Sie wurde auch von den Kirchenführern unterstützt. Die Verfassung räumt dem Militär weitgehende Befugnisse ein, soll aber auch den Weg zu Parlamentswahlen ebnen. Verlierer des Referendums sind die Muslimbrüder, dere Bewegung von der Übergangsregierung verboten wurde.

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