10. August 2015

Die kleine Christina vom IS verschleppt

Neue Heimat für Verfolgte? Viele im Irak vertriebene Christen sind nach Erbil geflohen und leben nun in Flüchtlingsbaracken. Besonders tragisch ist das Schicksal einer siebenköpfigen Familie. Ihre jüngste Tochter ist in den Fängen des Islamischen Staats (IS).

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CSI-Mitarbeiter John Eibner und Adrian Hartmann besuchten vor kurzem die kurdische Stadt Erbil im Nordosten Iraks. Zahlreiche vom IS verfolgte Christen und andere religiöse Minderheiten haben hier Zuflucht gefunden. Die anfänglich provisorischen Zelte sind nun weitgehend durch Wohncontainer ersetzt worden. Vieles deutet darauf hin, dass die Flüchtlinge lange in Erbil bleiben müssen.

Beim Besuch der Flüchtlingslager begegnet man immer wieder spielenden Kindern. Ihre freundlichen Blicke scheinen den Beweis liefern zu wollen, dass sie ihr Lachen trotz der traumatischen Erlebnisse nicht verloren haben. Doch der Schein trügt: Eine Apothekerin im Flüchtlingslager erzählt, dass die Kinder von Panikattacken und Alpträumen geplagt werden. «Viele Kinder sind von den fürchterlichen Ereignissen gezeichnet, auch wenn man dies äusserlich nicht sieht.»

Sie nahmen Christina einfach weg

Wie schwer muss es für eine siebenköpfige Familie aus Karakosch sein, nicht in ständiger Trauer und Angst zu verharren? Nur allzu wach sind Nabias* Erinnerungen an den 7. August 2014. An diesem Tag wüteten die IS-Milizen in Karakosch. «Sie schrien, dass wir Christen verschwinden sollten. Doch wie? Wir hatten kein Auto und mein Mann ist blind.» Aus Angst vor den Terroristen getraute sich die Familie nicht mehr, das Haus zu verlassen. «Einmal klopften sie an unsere Tür und forderten uns auf, zum Islam zu konvertieren. Wir lehnten dies ab», erklärt Nabia.

Nach drei Wochen befahlen die Dschihadisten der Familie, mit ihnen mitzukommen. «Wir wurden in einen Bus gesteckt. Plötzlich kam ein IS-Mann auf mich zu und riss Christina von mir weg. Ich folgte ihm und flehte ihn an, mir meine Tochter zurückzugeben. Doch er drohte, mich zu erschiessen, wenn ich nicht zum Bus zurückkehren würde. Was hätte ich da anders tun können?» Zusammen mit 26 anderen Christen wurde die Familie nach einer langen Busfahrt im Niemandsland abgesetzt. Nach einer 14-stündigen Odyssee zu Fuss erreichten sie die Grenze zu Kurdistan.

Das unbekannte Schicksal ihrer Tochter lastet enorm auf der Familie. Und als ob der Schmerz nicht gross genug wäre, erhielt Nabia 20 Tage nach der Entführung einen Anruf eines sunnitischen Führers: «Er sagte, dass Christina nach ihrer Mutter schreie, er sie aber nicht zurückbringen könne. Man hätte sie nach Mosul gebracht.»

Seit über zehn Monaten hat die Familie keine Nachricht mehr über ihre Tochter erhalten. Bisherige Versuche, Christina aus der Gewalt des IS zu befreien, scheiterten. Doch die weinende Mutter gibt nicht auf und bittet CSI: «Können Sie uns unsere Tochter zurückbringen?»

Mangelernährt

In Erbil ist Nabias Familie einigermassen sicher. Doch die Not der Flüchtlinge in und um diese Grosstadt ist enorm, auch wenn nun viele ihr Zelt gegen eine Baracke eintauschen konnten. Denn etliche Kinder in den Flüchtlingslagern sind mangelernährt. «Sie können sich nicht ausgewogen ernähren, weil es keine Kühlschränke hat und somit frische Lebensmittel nicht aufbewahrt werden können», nennt der zuständige Kinderarzt einen der Hauptgründe fürs Elend.

Zusammen mit CSI fasst William Warda von der Partnerorganisation Hammurabi eine Hilfslieferung von Kühlschränken und Lebensmitteln ins Auge.

Reto Baliarda

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