15. November 2013

Für Frieden in einem Klima der Gewalt

Die syrische Ordensschwester Sara musste ihr Zuhause wegen des Kriegs verlassen. Nun setzt sie sich mit allen Kräften für Landsleute ein, die ebenfalls fliehen mussten. CSI unterstützt sie dabei. In der Schweiz erzählte sie von ihrer Arbeit.

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Heile Welt, könnte man meinen: Kinder malen, basteln, töpfern, fischen Plastikfische aus einem Wasserbecken, füllen im Wettlauf einen Eimer mit Wasser, planschen, beten, singen, lachen, verkleiden und freuen sich. Sie alle sind Teil des Programms «Friedensstifter», in dem sie lernen, gewaltlos zu leben. «Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr die Kinder es lieben, zusammen zu spielen», berichtet Schwester Sara (Name geändert) und zeigt Fotos von glücklichen Kindern. Zusammen mit anderen Ordensfrauen und Freiwilligen organisiert sie täglich Aktivitäten für die Kinder. Aus ihnen Friedensstifter zu machen, ist nicht leicht: «Die Kinder waren am Anfang sehr aggressiv», erinnert sich Schwester Sara. In den letzten zwei Jahren habe sich die Situation aber stark verbessert. Heile Welt?

Kinder ohne Zuhause

Schwester Sara erzählt von einem kleinen Mädchen, das zwei Bilder gemalt hat: «Auf dem einen waren Blumen zu sehen, farbige Häuser, alles war voller Liebe und Leben. Dann zeigte das Mädchen mir das andere Bild: schwarze Häuser und Tote.» Geschichten wie diese lassen ahnen, dass es die Kinder nicht immer so schön hatten. Schwester Sara schweigt lange und kämpft mit den Tränen, als sie erzählt, was ihr ein erst siebenjähriger Junge gesagt hatte: «Ich möchte mein Haus sehen, mein Zimmer, mein Bett. Ich möchte die Stadt Homs sehen.» Weil sie dort nicht mehr sicher waren, hatte er mit seiner Familie seine Heimatstadt verlassen müssen.

Die vielen Kinder des «Friedensstifter»-Programms teilen alle sein Schicksal: Aus Angst vor dem Krieg und vor islamistischen Rebellen mussten sie ihr Zuhause Hals über Kopf verlassen. Schwester Sara und ihre Mitarbeiterinnen versuchen, für die Kinder so etwas wie Normalität zu schaffen, ihnen mitten im Elend des Krieges eine Insel der Liebe aufzubauen.

«Ich bin eine Frau mit gebrochenem Herzen»

Schwester Sara ist selber Flüchtling: Auch sie musste die Stadt verlassen, in der sie lebte, als die Rebellen anrückten. Anfangs September 2013 wurde auch ihr Geburtsort Maaloula von den Rebellen eingenommen – eines der wenigen uralten christlichen Dörfer, in denen noch Aramäisch, die Sprache Jesu, gesprochen wurde. «Meine ganze Familie ist nach Damaskus geflüchtet.»

«Ich bin eine Frau mit einem verwundeten Herzen und einer großen Liebe für ihr Vaterland, die die Botschaft der Liebe und des Friedens weiterträgt», stellt Schwester Sara sich vor. Sie ist Partnerin des CSI-Projekts in Syrien. Anfangs Oktober 2013 berichtete sie in Zürich und Lausanne über ihre Arbeit. Sie erinnerte an die 2000-jährige Geschichte des Christentums in Syrien, an Paulus, der sich auf dem Weg nach Damaskus bekehrte, an die Nachfolger Christi in Antiochien, wo sie zum ersten Mal «Christen» genannt wurden und von wo aus «sich die Botschaft des Friedens auf der ganzen Welt ausbreitete».

Bereits als zehnjähriges Mädchen verließ Schwester Sara ihr Heimatdorf Maaloula. Sie hatte dort eine Schule des Ordens besucht, zu dem sie nun selber gehört. Weil sie als besonders intelligent auffiel, übernahmen die Schwestern die Kosten für eine gute Schule in Damaskus. Nach ihrem Schulabschluss trat sie als 15-Jährige in den Orden ein und besuchte ein Internat im Libanon. Später studierte sie in Frankreich Theologie, dann in Damaskus Philosophie. Heute ist sie die Stellvertreterin der syrischen Oberin.

«Wir brauchen Ihre Unterstützung, um zu bleiben!»

Die Lage der Christen in Syrien ist dramatisch. Sie seien von jeher eine Brücke zum Westen gewesen, sagt Schwester Sara. «Heute sind wir das Ziel einer Verfolgung geworden, wie wir sie bisher noch nicht kannten.»

Die Christen fühlten sich vom Westen verlassen: «Sonst wären wir heute nicht in dieser Lage.» Sie bräuchten dringend Solidarität und moralische Unterstützung, um in dieser Zeit großer Verfolgung fest zu bleiben. Der Westen solle die Leute nicht aufrufen, das Land zu verlassen, im Gegenteil: «Wir bitten euch, uns zuzurufen: ‹Bleibt in eurem Land, entzündet in euch die Flamme des Glaubens.›»

Schwester Sara will bleiben und tut alles dafür, dass andere es ihr gleichtun. Im Namen von CSI versorgt sie bedürftige Flüchtlingsfamilien auch mit Lebensmitteln oder Medikamenten. Die tapfere Frau bezieht sich auf die Jünger von Emmaus: «Heute sind wir es, die Gott laut zurufen und ihn drängen: ‹Bleibe bei uns.›» Schwester Sara will Hoffnung verbreiten. Sie sagt entschlossen: «Wir werden das Licht der Welt und das Salz der Erde bleiben.» Sie glaubt daran, dass eine «glückliche und friedliche Zukunft» möglich ist, und will diese Zuversicht auch unter den anderen Flüchtlingen verbreiten.

Hoffnung keimt auf

«Jetzt ist der Moment, wo man eng zusammenarbeiten muss», erklärt Schwester Sara. In einem Klima der Gewalt sei es umso wichtiger, dass Kinder und Erwachsene ein gewaltloses Zusammenleben lernen; Alawiten, Sunniten, Christen, Ismailiten – gemeinsam nehmen sie an den Programmen der Schwestern teil. Der Orden von Schwester Sara betreibt auch Krippen, Kindergärten und Jugendgruppen. Von den Flüchtlingen wird ihre Arbeit sehr geschätzt. Sie zeigt Wirkung: Flüchtlinge bekommen neue Hoffnung.

Eine 28-jährige Mutter von drei Kindern schreibt unter ihre Zeichnung: «Wenn die Welt auch klein geworden ist, haben wir doch den Himmel. Warum sollten wir also verzweifeln?» Auch das Vertrauen muslimischer Frauen hat Schwester Sara inzwischen gewonnen: «Zuerst blieben sie immer nur zu Hause und sprachen nicht über ihre Sorgen.» Jetzt seien sie aufgetaut.

Eine muslimische Frau habe ihr gesagt, sie sei nicht verzweifelt, weil ihr Haus zerstört sei oder weil ihr Mann die Arbeit verloren habe. «Ich bin verzweifelt, weil meine Kinder nicht zur Schule gehen können.» Schwester Sara hat in Absprache mit dem Gouverneur nun dafür gesorgt, dass die Flüchtlingskinder die staatlichen Schulen besuchen dürfen, und hat sie mit den nötigen Utensilien ausgerüstet.

Ihre berührende Rede am CSI-Tag schließt Schwester Sara mit einem Appell: «Ich bitte Sie: Helfen Sie uns, in unserem Land zu bleiben. Beten Sie für uns – damit wir in Ihrem Gedächtnis bleiben.»

Autor: Adrian Hartmann

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