05. Januar 2017

Hochgeschätzte Arbeit von Schwester Sara

Seit über vier Jahren arbeitet die syrische Ordensschwester Sara mit CSI zusammen und setzt sich ganz besonders für die Schulbildung von Kindern und Frauen ein. Zuvor hat sie am eigenen Leibe erfahren müssen, was es heißt, vertrieben zu werden.

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Ende Oktober 2016 besuchte Schwester Sara* die Schweiz. Sie nahm nicht nur am CSI-Tag teil, sondern trat auch in verschiedenen Kirchgemeinden als Rednerin auf, um über die Lage in ihrem Land zu informieren. Ob bei einem öffentlichen Auftritt oder im Einzelgespräch: Schwester Sara drückt sich in fließendem Französisch stets sehr klar und überlegt aus. Zugleich spürt der Zuhörer, dass sie sich mit ganzem Herzen für die leidende Bevölkerung einsetzt.

Flucht nach einem Jahr Ausharren

Gerne erinnert sich die Syrerin an die Zeit vor dem Krieg. «Wir lebten in einem freien und sehr schönen Land. Ich hatte alle Freiheiten, die ich brauchte, und fühlte mich nie bedroht.» Die Schwester wohnte in einem Konvent in Homs. Von dort aus führte sie viele christliche Aktivitäten in den Dörfern rund um die Stadt durch, vor allem im «Wadi al-Nasara», dem «Tal der Christen».

Als im März 2011 die Unruhen in Syrien begannen, blieben Schwester Sara und ihr Umfeld zunächst in Homs. «Wir glaubten und hofften, dass es bei den Demonstrationszügen bleiben würde.» Ein Jahr lang setzten sie die Arbeit fort, obschon die Gegend zusehends unsicherer wurde.

Doch als im März 2012 die Islamisten in Homs und ins Wadi al-Nasara eindrangen, blieb auch Schwester Sara und allen Bewohnern des Konvents nur noch die Flucht. Sie erhielt von der Caritas die Unterstützung, in ein Ordenskloster an die Mittelmeerküste zu kommen, wo die Lage relativ sicher war und auch viele andere Syrer aus Homs, Damaskus, Aleppo oder auch Idlib Zuflucht gefunden hatten.

Sie kennt den Wert der Schulbildung

Eine längere Verschnaufpause, um über die Flucht nachzudenken, gönnte sich Schwester Sara nicht. Schnell erkannte sie, wie groß die Not der Vertriebenen war und wie sehr sie gebraucht würde. Ein besonderes Anliegen war für sie die Schulbildung der Kinder: «Viele Kinder haben durch den Krieg ein Schuljahr oder auch mehrere verpasst. Ich bin selbst meinen Eltern dankbar, dass ich eine gute Schulbildung erhielt, und weiß auch deren Wert zu schätzen.»

Heute bietet Schwester Sara ein vielfältiges Programm für 250 Kinder, die dank freiwilligen Lehrern tagsüber Lernunterstützung erhalten. Zudem werden am Wochenende und in den Ferien immer wieder Aktivitäten und Camps organisiert, in denen die Kinder sportlich und musisch gefördert werden. Dafür kann sie auf die Mitarbeit der «Peacemakers» – eine Gruppe von jungen Freiwilligen – zählen, die ihrerseits Weiterbildung und psychologische Unterstützung für diese Arbeit erhalten.

Schwester Sara ist dankbar, dass sie für ihren Einsatz mit CSI einen flexiblen Partner hat. «Ich arbeite sehr gerne mit CSI zusammen. Diese Organisation vertraut mir, dass ich den leidenden Menschen jene Hilfe gebe, die sie am nötigsten haben.» Als Beispiel erwähnt sie das Verteilen von Schulmaterial an 900 Kinder (Magazin von Januar 2016): «Diese Aktion bedeutete für die Kinder und deren Eltern unendlich viel. Der Preis für Hefte und Schreibzeug ist in Syrien für viele Menschen unerschwinglich geworden.»

Ebenso können sich etliche Syrer Medikamente nicht mehr leisten. Besonders schwer trifft es chronisch Kranke. Deshalb unterstützt Schwester Sara zusammen mit CSI zehn junge Menschen mit einer Langzeiterkrankung.

Musliminnen entdecken eine neue Welt

Unter den geflohenen Erwachsenen gibt es viele Analphabeten, besonders unter den Kurden und syrischen Sunniten. Frauen sind hier noch stärker betroffen, da sie in der Regel sehr früh heiraten. Viele von ihnen gingen, wenn überhaupt, nur kurz in die Schule. Schwester Sara organisiert regelmäßige Frauentreffs, wo sie zu verschiedenen Lebensbereichen informiert werden und so auch das Rüstzeug erhalten, zuhause ihren Kindern zu helfen.

Die überwiegende Mehrheit dieser Frauen sind Musliminnen. Viele von ihnen haben zum ersten Mal Kontakt mit Christen. So können sie ihre Berührungsängste gegenüber anderen Kulturen abbauen. Die Musliminnen schätzen den Kontakt zu Schwester Sara sehr. «Auch deren Männer haben großes Vertrauen in unsere Arbeit», freut sich die Ordensschwester.

Gott gibt ihr die Kraft

In ihrem unermüdlichen Einsatz für die Notleidenden zählt Schwester Sara ihre Arbeitsstunden nicht. Es kommt auch vor, dass sie ein Anruf um Mitternacht erreicht. «Dann bin ich für diese Person da», sagt sie unumwunden. Doch woher nimmt sie die Motivation für ihren fast grenzenlosen Einsatz? «Ich schöpfe die Kraft aus meinem Glauben, meiner Hoffnung und meiner Liebe zu den Menschen. Mit ihrer Dankbarkeit und ihrem Lächeln ermutigen sie mich, weiterzumachen. Meine Hilfe ist gering. Doch sie bewirkt bei den Empfängern Großes.» Als Direktbetroffene kennt sie außerdem das Leiden von Vertriebenen. Sie kann sich gut in ihre Lage hineinversetzen.

Im Dezember 2015 wurden die letzten islamistischen Rebellen aus Homs verjagt. Die mehrheitlich zerstörte Stadt ist wieder ganz in der Hand der Regierung. Kann sich Schwester Sara vorstellen, wieder nach Homs zurückzukehren? «Ja, das habe ich vor, nur der Zeitpunkt ist noch offen», so ihre direkte Antwort. Im Übrigen war sie auch in den letzten Jahren mit ihrer altvertrauten Umgebung verbunden geblieben. Gegenwärtig besucht sie Homs einmal pro Woche.

Schwester Sara liebt ihre Heimat und ist überzeugt, dass ihr Syrien nicht untergehen wird. Natürlich wünscht sie sich nichts sehnlicher als einen anhaltenden Frieden. «Dafür brauchen wir eure Gebete und Unterstützung. Auch wir in Syrien beten für Europa», betont sie vor ihrer Rückkehr nach Syrien.

Reto Baliarda

 

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