27. Januar 2017

Landwirtschaft schenkt benachteiligten Christen Hoffnung

Im indischen Bundesstaat Odisha leben viele Christen in großer Armut, ohne Schutz. Unsere CSI-Partner reisen deshalb in die entlegensten Gebiete, um sie landwirtschaftlich auszubilden. Zwei CSI-Mitarbeitende haben vor kurzem einige Projekte im Kandhamal-Distrikt besucht.

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Rund sieben Stunden dauert die Autofahrt von Odishas Hauptstadt Bhubaneswar nach Kandhamal. Dieser Distrikt ist einer der unterentwickeltsten Gebiete Indiens. Der Anteil der Christen ist hier überdurchschnittlich hoch. Die meisten von ihnen leben nicht nur in bitterer Armut. Die Angst vor einem erneuten Angriff der Hindu-Extremisten sitzt ihnen nach dem Massaker von 2008 (mit über 100 Toten) immer noch tief in den Knochen. Wegen der Abgeschiedenheit wären sie einem Übergriff auch ziemlich schutzlos ausgeliefert.

Drei Monate im Dschungel versteckt

Wie groß diese Verunsicherung immer noch ist, spüren die CSI-Projektleiterin und Redaktionsleiter Reto Baliarda, als sie in Kandhamal in der Nähe des Städtchens Balliguda auf christliche Landarbeiter treffen. Vor dem Massaker konnten sie bestenfalls als Tagelöhner arbeiten. Als solche waren sie jedoch von ihren Großgrundbesitzern abhängig, erzählt Kiran*, der Verantwortliche der Landwirtschaftsgruppe. «Diese zeigten gar kein Interesse, dass es uns besser gehen sollte», erklärt er.

Kommt dazu, dass die Großgrundbesitzer die Hindu-Extremisten zusätzlich aufgewiegelt haben sollen, um im August 2008 die Bluttat gegen die christliche Minderheit zu verüben. Drei Monate lang, so Gruppenleiter Kiran, hätten sie sich im Dschungel vor dem Hindu-Mob versteckt. «Wir fanden kaum genug zu essen und hatten ständig Angst vor Schlangenbissen und wilden Tieren. Kaum einer von uns hatte jemals eine ruhige Nacht verbracht.»

Dokumente zum Landbesitz verbrannt

Zurück in ihre Häuser konnten sie danach nicht. Diese hatten die Hindu-Extremisten abgebrannt. Deshalb mussten sie ins Flüchtlingscamp von Tikabali fliehen, wo sie ein Jahr blieben. Danach fanden die meisten Unterschlupf bei Verwandten oder Bekannten. «Aber auch dies war auf die Dauer keine Lösung. Unsere Verwandten hatten ja selbst kaum genug, um zu überleben», erklärt uns Kiran.

Doch da beim Massaker von 2008 auch die Dokumente für den Grundstücksbesitz verbrannt worden waren, mussten die christlichen Rückkehrer mit den zuständigen Kommunalbehörden aufreibende Gespräche führen, bevor sie ihr Stück Land zurückerhielten. Die Hilfsorganisation «Barnabas Fund» finanzierte den Wiederaufbau ihrer Häuser. «Dafür sind wir dankbar. Trotzdem standen wir vor einer ungewissen Zukunft. Wir wollten nicht mehr als Tagelöhner von den Großgrundbesitzern abhängig sein, die die Vertreibung von uns mitunterstützt hatten.» Andrerseits, so Kiran, fehlte ihnen das landwirtschaftliche Know-How, um sich selbst versorgen zu können.

Neue Hoffnung

Der indische CSI-Partner, die «India Evangelistic Association (IEA)», erkannte diese Not. Im Frühjahr 2016 trafen die Partner auf die Gruppe, besprachen mit ihnen die Ziele und schulten sie im landwirtschaftlichen Bereich. «Wir zeigten ihnen beispielsweise, wie man Kuhdünger verwerten kann, gaben Ihnen das Saatgut für verschiedene Produkte sowie ökologische Unkrautvertilger und installierten gemeinsam eine Bewässerungsanlage», erläutert Ashish Parichha die erfolgreiche Projektarbeit.

Heute wachsen auf den eingezäunten Feldern Gemüsesorten wie Tomaten, Blumenkohl, Papaya, Kabis, Gurken oder auch Linsen und Chili. Erdnüsse und Senfkörner können die geschulten Bauern hier ebenso ernten und einen Teil davon auf dem Markt verkaufen. «Wir sind sehr dankbar für die Unterstützung von IEA und CSI. Dank Ihrer Hilfe können wir hoffnungsvoll in die Zukunft blicken», meint Kiran zuversichtlich.

Mittlerweile wurden 350 Familien in Kandhamal geschult. Sie sind nun aktiv am Ackerbau beteiligt, was jeweils ihrem ganzen Dorf zugute kommt.

Christliche Dorf­gemein­schaft «Am Ende der Welt»

Die Straße zu Kirans Landwirtschaftsgruppe war geteert. Sie ist kein Vergleich zum schwer befahrbaren Natursträßchen, das uns zu unserem nächsten Ziel führt. Unser Fahrer kämpft sich durchs holprige Gelände. Nach einer halbstündigen, abenteuerlichen Fahrt erreichen wir das abgelegene christliche Dorf Sujamaju.

Etwa 300 Menschen wohnen in dieser weitläufigen Siedlung. Vor der stattlichen Kirche, die das Gemeinschaftszentrum bildet, steigen wir aus. Auf dem gepflasterten Dorfplatz neben der Kirche treffen nach und nach immer mehr Leute ein. Sie sind von einer Beerdigung zurückgekehrt. Gopal*, ein Mann um die 35, begrüßt die Ankömmlinge.

Mit klarem Ausdruck beschreibt Gopal, wie sich das Leben der Dorfgemeinschaft in den letzten Jahrzehnten verändert hat. «Unsere Vorfahren führten hier bis 1970 als Animisten ein einfaches Leben.» Missionare brachten ihnen Lesen und Schreiben bei. Unseren Vorfahren wurde bewusst, wie wichtig die Schulbildung und ein respektvoller Umgang untereinander sind.» Ebenso lernten sie, verantwortungsvoll mit dem Alkoholkonsum umzugehen.

Trotz dieser positiven Ansätze verharrte die Dorfgemeinschaft weitere Jahrzehnte in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Um etwas Geld zu verdienen, rodeten die Bewohner die Wälder rundherum. Das Leben der Bewohner von Sujamatu änderte sich, als die CSI-Partner von IEA mit der Dorfgemeinschaft in Kontakt kamen. Dazu Gopal: «In einem Workshop von IEA lernten wir, dass ein gesunder Wald wichtig für das ökologische Gleichgewicht der Region ist. Wir tragen seitdem dem Wald Sorge.»

Als Alternative zum Verkauf von Brennholz wurde die Dorfgemeinschaft in die ökologische Landwirtschaft eingeführt. IEA unterstützte sie u.a. mit Saatgut und installierte zusammen mit den Einheimischen eine Wasserpumpe. Zudem können sie nun Produkte wie Blumenkohl, Gurken, Linsen Bohnen oder auch Radieschen und Kürbisse ernten. Auch der Fischfang sowie die Gewinnung von Honig und Rosinen sind angestiegen.

Ashish Parichha, der mit seinem Team von IEA auch christliche Dorfgemeinschaften in den abgeschiedenen Gebieten unterstützt, freut sich, dass sich die Lebensumstände in Sujamaju verbessert haben: «Ein großes Anliegen von uns ist es, verarmte Christen in entlegenen Gebieten zu helfen und zu stärken. Mit gezielter Landwirtschaft können sie gesunde Produkte ernten und sie selbst verwerten. Je nachdem können sie einen Teil der Ernte verkaufen und ihre wirtschaftliche Lage verbessern. Die Dorfbewohner bleiben in ihrer Heimat und geraten nicht mehr als Tagelöhner in Abhängigkeit anderer.»

Schutzlos bei Übergriffen

Die Bewohner von Sujamaju können kaum Hilfe von der Polizei erwarten, wenn sie in ihrer schutzlosen Abgeschiedenheit einem Angriff ausgesetzt sind. Die Polizei erachtet die Christen als Maoisten. Dabei sind es gerade die Maoisten, die sich in der Gegend von Sujamaju tummeln und immer wieder eine Gefahr für die Christen darstellen. «Wir leben in ständiger Angst», gesteht Gopal.

Immerhin blieb Sujamaju im August 2008 vor einem Angriff von Hindu-Extremisten verschont, obwohl es zu jener Zeit oft Warnungen vor heranrückenden Mobs gab.

 

Reto Baliarda

*Namen geändert

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Agrarprogramm für Opfer von religiösen Angriffen

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