27. Mai 2020

Legat – Eine Notarin berichtet aus ihrer Arbeit

Die Berner Notarin Franziska Burkhalter hat am neuen Testament-Ratgeber von CSI mitgearbeitet. Im Interview erzählt sie von ihren Erfahrungen bei Erbschaften.

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CSI: Wann sollte man sich mit dem Erben befassen?

Franziska Burkhalter: Eigentlich immer, der Tod ist ja unser ständiger Begleiter, wenn wir ehrlich sind. Weil der Gedanke an eine erbrechtliche Regelung aber meist dann konkret wird, wenn geerbt wird, ist das oft ab 65 Jahren der Fall, wenn die Eltern sterben. Das ist sicher ein guter Zeitpunkt. In diesem Alter ist auch die Pensionierung geplant und die Kinder sind selber erwachsen. Generell ist es gut, alle 10 bis 15 Jahre das Thema konkret zu bearbeiten. Die Lösungen sind in jeder Lebenssituation anders, das Umfeld ändert, wir ändern uns, die rechtlichen Gegebenheiten ändern.

Kommen Legate häufig vor?

Sie kommen einerseits bei sehr wohlhabenden, andererseits bei älteren Personen und bei kinderlosen Paaren häufig vor. Bei verheirateten Paaren im Berufsleben steht eher die gegenseitige finanzielle Absicherung im Vordergrund.

Welches sind die Gründe für ein Legat?

Meist ist der Ausgangspunkt die Auseinandersetzung mit sich selbst und existenziellen Fragen: Was ist mir wichtig im Leben? Was liegt mir am Herzen? Welche Personen oder Institutionen stehen mir nahe? Viele Menschen müssen sich dann eingestehen, dass die Tochter in Neuseeland, der Neffe im Nachbardorf, ja oft sogar der Partner nicht die nahestehende Person sind, oder dass diese gut allein zurechtkommen und nicht „auf das Erbe angewiesen“ sind, geschweige denn dankbar dafür wären. Viele Personen merken, dass ihnen nicht die Verwandten, sondern gesellschaftliche, politische oder andere Anliegen nahe liegen oder dass ein Verein ihnen mehr Heimat bietet als die Familie.

Man hört immer wieder, dass Leute über Jahrzehnte kaum spenden und dann plötzlich ein hohes Legat überweisen.

Ja, das kommt immer wieder vor. Aus meiner Erfahrung ist der Grund die langjährige Beziehung zu einer Organisation. Viele Menschen haben gar nie langjährige Beziehungen zu Mitmenschen oder diese sind verstorben. Natürlich ist die Beziehung zu einer Organisation, ähnlich wie bei Haustieren, auch weniger belastet als enge zwischenmenschliche Beziehungen. Umgekehrt kann einmalige schlechte Presse, ein Entscheid, der nicht passt, ein unsympathischer Geschäftsführer oder ein ganz banaler Fauxpas wie eine falsche Schreibweise des Namens in einem Spendenaufruf die gute Beziehung zu einer Organisation beenden.

Wie reagieren Erben, wenn sie nur die Pflichtteile erhalten?

Sehr unterschiedlich. Meist ungehalten. Ich führe das darauf zurück, dass ihr Verhältnis zur verstorbenen Person schlecht war, sonst würden sie den Entscheid nachfühlen und akzeptieren können.

Gibt es Situationen, in denen Sie von einem Legat abraten?

Selten, aber immer dann, wenn das Legat nicht „für“, sondern „gegen“ ist: Wenn der Vater seinen Sohn „bestrafen“ will, weil er falsch geheiratet hat, oder die Mutter ihre Tochter, weil sie die Kinder falsch erzieht oder die Eltern den Sohn, weil er das unter Entbehrungen aufgebaute elterliche Geschäft nicht übernehmen will. 

Adrian Hartmann

Hier können Sie den CSI-Testament-Ratgeber bestellen.


 

Zur Person

Nach dem Gymnasium, einer Lehre als Automechanikerin und einigen Jahren Berufserfahrung begann Franziska Burkhalter 1990 ein Jura-Studium an der Universität Bern. Sie schloss dieses mit dem Staatsexamen als Fürsprecherin ab und bildete sich zur Notarin weiter. Seit 1999 führt sie ihre eigene Kanzlei in Münsingen BE. Franziska Burkhalter hat den rechtlichen Teil der CSI-Broschüre unentgeltlich überarbeitet. Herzlichen Dank!

 

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