28. März 2017

Mitten im Elend der Notleidenden

Nur wenige leben so dicht an der Armut, wie die CSI-Projektpartner. Die Slumgebiete in und um Managua, aber auch an der Ostküste Nicaraguas, wirken zunächst idyllisch. Doch der Schein trügt. Die Projektpartner leisten eine wertvolle und oftmals nicht ganz ungefährliche Arbeit.

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Erst wenn man einen tieferen Blick hineinwagt, Lebensgeschichten hört, Lebensumstände sieht, dann erst wird einem ein Bruchteil dessen bewusst, was wirklich in den Slumgebieten Nicaraguas geschieht. Es sind nicht die Anblicke von völlig ausgehungerten Kindern, die uns sogleich erstarren lassen. Es sind die Lebensbedingungen, die Verwahrlosung, die Sinnlosigkeit, der verheerende Gesundheitszustand vieler Menschen, das Dahinvegetieren, zerstörerischer Alkohol- und Drogenkonsum, erschütternde Gewalt, Ausbeutung, dauernde Angst.

Keine Hilfe der Regierung ohne Parteimitgliedschaft

Auf die Frage, wie die Regierung auf das Elend in den Slumgebieten reagiert, kommt eine ernüchternde Antwort von Schwester Guadalupe, unserer Partnerin: «An der Westküste kann eine minimale Unterstützung seitens der Regierung wahrgenommen werden. Doch diese Hilfe ist an eine Bedingung geknüpft, die unseren Orden davon abhält, selber staatliche Unterstützung zu beantragen», sagt sie. Die Hilfe bedinge, dass man die amtierende sandinistische Partei und ihre marxistische Ideologie auf verschiedene Art und Weise unterstütze. «Ohne die Parteimitgliedschaft und die aktive Propaganda gibt es keine Hilfe. Die Teilnahme an politischen Anläßen ist obligatorisch.»

Ostküste wird völlig vernachläßigt

Was die Ostküste betrifft, so werde diese von der Regierung völlig ignoriert und der Verwahrlosung überlassen. Die Kirche werde momentan in Ruhe gelassen, was früher nicht immer der Fall war. «Doch was klar blockiert wird, ist die materielle Hilfe vom Ausland. Zudem grassiert die Korruption auf vielen Ebenen, wir sind diesem Phänomen ausgeliefert. Die Leidtragenden sind vor allem die sowieso schon völlig verarmte Bevölkerung», bedauert Schwester Guadalupe zutiefst.

Ein Herz für hilfsbedürftige Mädchen

Für jeden Einzelnen, dem ich Gutes tun kann, freue ich mich von Herzen», so die Ordensschwester.

Dank den Spenden aus der Schweiz können wir enorm wertvolle Hilfe leisten. Besonders wichtig sind die beiden Heime an der Ostküste Nicaraguas in Puerto Cabezas und in Bluefields. Insgesamt 36 Mädchen aus völlig verwahrlosten Verhältnissen sind in den Heimen untergebracht.

Narchani ist eines dieser Mädchen. Mit 8 Jahren wurde sie, wie auch ihre ältere Schwester, von ihrem gewalttätigen Onkel missbraucht. Dass die Mutter Alkoholikerin ist und sie ihre Kinder nicht zu schützen vermag, macht die Situation umso bitterer. Die ältere Schwester hat durch die Situation schwere psychische Probleme bekommen, die sogar die Ordensschwestern überfordern. Sie lebt momentan bei ihrer Tante.

Doch Narchani haben die Partnerinnen nun aufgenommen und versuchen ihr Bestes, sie mit ihrer schwierigen Vergangenheit zu betreuen, ihr das Gefühl von Schutz und Liebe zu vermitteln und sie langsam für die Schule vorzubereiten. «Viele der Mädchen haben in ihren jungen Jahren bereits Grausames erlebt. Es ist eine große Herausforderung, sie an einen halbwegs normalen Alltag zu gewöhnen. Oft sind es die einfachsten Grundlagen des Lebens, die sie zuerst erlernen müssen», so Schwester Guadalupe. Doch ihr Einsatz lohnt sich. Seit etwa fünf Jahren betreuen sie Mädchen wie Narchani.

Von der Verwahrlosung zum Studium

Inzwischen sind die ersten Früchte zu sehen. Einige der Mädchen haben angefangen zu studieren. So zum Beispiel Hielva. Sie kam vor einigen Jahren zum Konvent. Ihre Eltern sind so arm, dass sie ihre Kinder nicht mehr ernähren konnten. Dass Hielva zu den Ordensschwestern kommen konnte, bezeichnet sie heute als ein riesiges Geschenk. Sie hat von ihnen außerordentlich viel lernen können, hat schöne Freundschaften geschlossen, durfte die Schule besuchen und ist zutiefst dankbar, dass sie nun das Medizinstudium beginnen konnte. «Ich wünsche mir sehr, später einmal anderen Menschen helfen zu können, so wie mir die Schwestern geholfen haben», blickt Hielva erwartungsvoll in die Zukunft.

Mitten unter den Leidenden

Die Schwestern leben mitten in der Misere. Dabei zieren sie sich nicht, leidende Menschen in stinkenden und schimmligen Behausungen zu besuchen, wo auch Ungeziefer und Ratten zu Hause sind. Sie scheuen nicht die Nähe zu schlechtriechenden, schmutzigen, unappetitlichen und zum Teil furchteinflößenden Menschen. «Das ungerechte und nicht selbstverschuldete Leiden, die verheerende Armut, die unerreichbare Grundversorgung, die Misshandlung von Kindern, dies sind alles Realitäten, die mein Herz wirklich tief berühren», äußert sich Schwester Guadalupe.

Dank den wertvollen Spenden und dem unermüdlichen Einsatz der Schwestern im Alltag kann den Slumbewohnern Hilfe von unschätzbarem Wert geleistet werden. Dabei geht die humanitäre Hilfe immer Hand in Hand mit der ganz persönlichen Betreuung jedes Einzelnen.

Konkrete Hilfe

Eine zentrale Rolle spielt das Austeilen der über 300 Mittagessen an Kinder und Erwachsene fünf Mal pro Woche in Managua und Tipitapa, im Westen Nicaraguas. Ganz wichtig ist auch das monatliche Verteilen von Grundnahrungsmittel an besonders arme Familien. Viele von ihnen können sich kaum eine Mahlzeit pro Tag für alle Familienmitglieder leisten.

Es gibt aber auch viele Menschen, die krank und bettlägerig sind und ihre erbärmliche Behausung nicht mehr verlassen können. Deshalb besuchen die Schwestern regelmäßig Familien, bringen Medikamente und leisten medizinische Hilfe. In akuten Fällen organisieren sie den Transport zum Spital und begleiten die Kranken während der Behandlungsphase.

In einem Konvent betreuen Ärztin Blanca und Zahnarzt Leser die Slumbewohner zu sehr tiefen Preisen, nicht selten auch umsonst. Dabei ist die hauseigene Apotheke von großem Wert, über welche Medikamente sehr billig bezogen werden können.

Zu guter Letzt ist die Finanzierung von Schulbüchern, Schulmaterial und Schuluniformen besonders wichtig. «Wir legen sehr viel Wert auf die Schulausbildung der Kinder», betont Schwester Guadalupe. «Ohne Grundausbildung geraten die Jugendlichen endgültig in die Abwärtsspirale von Arbeitslosigkeit, Gewalt sowie Drogen- und Alkoholsucht.»

Die Projektpartner arbeiten in allen vier Konventen sehr hart, um mit dem täglichen Herstellen von Hostien sowie der Zubereitung und Auslieferung von Essen Einnahmen zu generieren. Mit diesem Geld finanzieren sie innerhalb der Konvente Grundschulen für insgesamt rund 600 Kinder. Es ist für uns immer wieder beeindruckend und bewegend zu sehen, mit welch selbstlosem Aufwand die Schwestern sich gerade für die Kinder einsetzen.

 

Projektleiterin Nicaragua

 

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