21. März 2014

Nach 19 Jahren Sklaverei endlich frei

Während des sudanesischen Bürgerkriegs wurde der Hirtenjunge Makuei entführt und wie Hunderttausende andere Dinkas als Sklave verkauft. Schläge, harte Arbeit und Zwangsislamisierung prägten seinen Alltag – bis eines Tages ein Fremder im Viehlager auftauchte. Die Geschichte einer Befreiung.

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Es war ein gewöhnlicher Tag im Januar. Der Dinka-Junge Makuei Bol Makuei hütete gemeinsam mit einigen Freunden die Ziegen im Busch hinter seinem Heimatdorf Yinh Akeen, als plötzlich Reiter auftauchten. «Die Araber kamen auf Kamelen und Pferden und hatten Schusswaffen», erzählt Makuei.
Es war das Jahr 1994 und zwischen dem arabischen Norden des Sudan und dem Süden, der von Dinka, Nuer und anderen schwarzafrikanischen Völkern besiedelt ist, tobte schon seit Jahrzehnten der Bürgerkrieg. Die arabischen sogenannten Dschandschawid-Milizen entführten unzählige Südsudanesen in den Norden und verkauften sie als Sklaven. An diesem Januartag stiess eine Gruppe von Dschandschawid auf ihrem Rückweg von den Kämpfen gegen die südsudanesische Befreiungsarmee (SPLA) auf die Hirtenkinder. Sie nahmen Makuei und 14 seiner Freunde gefangen und trieben sie durch das Buschland in Richtung Norden.

Mit Schlägen gefügig gemacht

«Als es dunkel wurde, mussten wir aus Dornenzweigen einen Zaun um uns herum bauen, damit wir nachts nicht entfliehen», fährt Makuei fort. Sieben aus der Gruppe der Gefangenen wagten es dennoch – sie wurden alle erschossen. «Denjenigen, die die Schusswunden
überlebten, wurde die Kehle durchgeschnitten. Die Mädchen wurden alle vergewaltigt. Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen.» Sieben Tage dauerte der Marsch in den Norden. Dort wurden die Gefangenen aufgeteilt und in verschiedene Viehlager gebracht, wo sie als Sklaven arbeiten mussten. Makuei wurde einem Mann namens Bakri Adam zugeteilt. «Er war ein sehr schlechter Mensch», sagt Makuei. Bakri Adam hatte noch drei andere Sklaven, die seine Kühe, Kamele und Ziegen hüteten. Makuei war für die Schafe zuständig, bei denen er auch schlief.
Den Sklaven sollte ihre Identität genommen werden. Bakri Adam gab Makuei den muslimischen Namen Osman und zwang ihn, Muslim zu werden. «Ich wusste, dass mein Vater nicht wie ein Muslim betete und wollte es auch nicht tun, aber Bakri Adam schlug mich, als ich mich weigerte. Er sagte auch: ‹Wenn du Jesus Christus folgst, werde ich dich töten!›» Mit den anderen Dinka-Sklaven durfte Makuei nicht einmal reden, weil Bakri Adam befürchtete, sie könnten sonst einen gemeinsamen Fluchtplan aushecken. Doch das kam für Makuei sowieso nicht in Frage: «Ich habe nie versucht zu fliehen», sagt er. «Ich wusste, sie würden mich töten, wenn ich das versuchte.» Einmal verlor Makuei ein Schaf und Bakri Adam peitschte ihn zur Strafe aus. Einer der Schläge traf sein linkes Auge. Heute ist Makuei auf diesem Auge völlig blind.
Er sagte auch: ‹Wenn du Jesus Christus folgst, werde ich dich töten!›» Mit den anderen Dinka-Sklaven durfte Makuei nicht einmal reden, weil Bakri Adam befürchtete, sie könnten sonst einen gemeinsamen Fluchtplan aushecken. Doch das kam für Makuei sowieso nicht in Frage: «Ich habe nie versucht zu fliehen», sagt er. «Ich wusste, sie würden mich töten, wenn ich das versuchte.» Einmal verlor Makuei ein Schaf und Bakri Adam peitschte ihn zur Strafe aus. Einer der Schläge traf sein linkes Auge. Heute ist Makuei auf diesem Auge völlig blind.

Freiheit nach 19 Sklavenjahren

Im September 2013, nach mehr als 19 Jahren in der Sklaverei, wendete sich Makueis Schicksal. Ein fremder Mann kam in das Viehcamp und verhandelte lange mit Bakri Adam. Dann kam der Fremde zu Makuei, sagte ihm, er sei jetzt frei, und führte ihn zu einer Gruppe anderer befreiter Dinka- Sklaven, die sich an einem geheimen Sammelplatz eingefunden hatte. Es war ein CSI-Sklavenrückführer. Gemeinsam machten sie sich unter seiner Führung auf den beschwerlichen Weg in den Südsudan.
Dort lernte ein CSI-Team Makuei kennen. Wie alle anderen befreiten Sklaven bekam auch er von CSI eine Ziege, einen Sack Hirse als Nahrung und Saatgut und einen Sack mit nützlichen Utensilien für einen Neuanfang wie einen Wasserkanister, eine Plane und eine Sichel. Makuei ist überglücklich. Nach den langen Jahren der Sklaverei ist er endlich wieder sein eigener Herr. «Ich bin so froh, mein Volk wiederzusehen. Jetzt werde ich versuchen, meine Verwandten wiederzufinden. Und ich werde nach einem Stück Land
suchen, das ich bewirtschaften kann.»
Autoren: Joel Veldkamp | Luise Fast

 


CSI-Projekt im Sudan?/?Südsudan

Jahrzehntelang kämpften die christlich-animistischen Rebellen der Sudanesischen Befreiungsarmee (SPLA) im Süden gegen die islamistische Regierung im arabischen Norden. Staatspräsident Omar al-Baschir rief den Dschihad gegen den Süden aus und heuerte sogenannte Dschandschawid-Milizen a südsudanesische Dörfer zu überfallen. Bei diesen Überfällen kamen Zehntausende ums Leben, viele weitere – sogar kleine Kinder – wurden in den Norden entführt und als Sklaven verkauft.
Anfang der 90er Jahre baten südsudanesische Stammeshäuptlinge CSI um Hilfe. Gemeinsam wurde nach Wegen gesucht, die geraubten Südsudanesen aus der Sklavere zu befreien und in ihre Heimat zurückzubringen. Im Oktober 1995 konnten die ersten Sklaven befreit werden. Seither hat CSI bei weit über 100 Reisen mehr als 100??000 Versklavte zurückgebracht. Alle bekommen einen Startsack mit den wichtigsten Hilfsmitteln für ihr neues Leben in Freiheit, Hirse und eine Milchziege. CSI-Arzt Luka Deng kümmert sich um die Verletzungen, die manche aus der Sklaverei mitbringen. Menschen mit schlimmeren Krankheiten bringt CSI für die Behandlung nach Nairobi (Kenia).
Das Friedensabkommen zwischen dem al-Baschir-Regime und der SPLA von 2005 beendete die Sklavenjagden. Im Januar 2011 stimmte eine grosse Mehrheit der Südsudanesen für eine eigenen Staat und damit für die Abspaltung vom Sudan. Im Juli 2011 wurde der neue Staat Südsudan ausgerufen. Seither wurden Zehntausende Südsudanesen, die sich im Laufe des Bürgerkriegs im Norden niedergelassen hatten, aus dem Suda vertrieben. Sklaven werden jedoch bis heute festgehalten. Noch immer warten Zehntausende auf ihre Befreiung.
Im Dezember 2013 brachen im Südsudan schwere Kämpfe aus in deren Folge Tausende getötet und Hunderttausende vertrieben wurden. Unser Einsatzgebiet im Bundesstaat Nördlicher Bahr el-Ghazal blieb jedoch vom Konflikt bisher verschont. Wir führen die Sklavenbefreiung fort.

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