27. November 2019

Nahrungsmittelpakete an über 2300 Familien verteilt

CSI hat auf die Hungerkrise im Nordwesten des Südsudans schnell reagiert. Unzählige Menschen konnten vor dem möglichen Hungertod bewahrt werden. Im Interview erklärt der verantwortliche CSI-Projektmanager Franco Majok, wie er die am schlimmsten betroffenen Menschen erreicht.

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CSI: Franco Majok, welche Region des Südsudans war von der Hungersnot besonders betroffen?

Franco Majok: Betroffen war das ganze Land, aber in unserem Einsatzgebiet in den Bundesstaaten Lol und Aweil Ost war die Lage besonders prekär. Am schlimmsten war die Zeit zwischen Mai und Ende Juli.

Sie haben in diesem Gebiet im Juli die CSI-Nahrungsmittelhilfe organisiert und koordiniert. Wie viele Menschen bekamen Hilfe?

Zusammen mit meinem Team vor Ort konnte ich 2360 hungernde Familien aus 29 Dörfern mit je 50 Kilogramm Sorghum-Hirse und Erdnusssäcken versorgen. Dazu verteilten wir Hacken für die Bewirtschaftung des Bodens.

Ist bekannt, ob in unserem Einsatzgebiet Menschen verhungert sind?

Niemand ist verhungert. Wir konnten schnell handeln, nachdem die UNO die Warnung vor der Hungerkrise im April dieses Jahres herausgegeben hatte. Ein dickes Lob an unser Team, das mehrheitlich aus Freiwilligen besteht. Alle haben sich unermüdlich dafür eingesetzt, dass die am meisten leidenden Menschen rechtzeitig erreicht werden konnten.

Wie finden Sie heraus, welche Menschen von der Hungerkrise am schwersten betroffen sind?

Ich ziehe von Dorf zu Dorf und frage die Dorfvorsteher, welche Bewohner besonders an Hunger leiden. Im Weiteren kontaktiere ich die lokalen Behörden in Lol und Aweil Ost. Vielfach wissen sie, wo der Hunger besonders akut ist.

Es kommt aber auch vor, dass Vertreter aus betroffenen Dörfern mich direkt um Hilfe bitten. Selbstverständlich überprüfe ich dann genau, wie die Lage im jeweiligen Dorf ist.

Wie werden die Nahrungsmittelpakete für die Verteilung besorgt?

Sorghum und Erdnüsse kaufen wir auf den lokalen Märkten in Lol und Aweil. Wir beauftragen ferner Lastwagenfahrer, um die Lebensmittel in die beiden Kleinstädte Wanyjok und Ariath zu transportieren. Dort können wir die Nahrungsmittelsäcke lagern, bevor sie in den Dörfern verteilt werden.

Essen wäre also genug vorhanden, wenn Sie es auf den lokalen Märkten besorgen können.

Ja, gegenwärtig schon. Das Problem ist, dass die Nahrungsmittelpreise für viele Menschen unerschwinglich sind. Und auf staatliche Unterstützungsmassnahmen kann derzeit niemand zählen.

Wie reagieren die Dorfbewohner, wenn Sie mit Nahrungsmitteln auftauchen?

Ich sehe jeweils überall strahlende Gesichter und leuchtende Augen. Die Menschen sind äusserst dankbar und sagen, wir hätten ihnen das Leben gerettet. Sie machen sich in dem Moment auch keine Sorgen, was morgen oder übermorgen sein könnte.

Erinnern Sie sich an ein Erlebnis bei der Nahrungsmittelverteilung, das Sie sehr bewegt hat?

Ja, das war im Dorf Gokmachar im Bundesstaat Lol. Dort haben vier Frauen vor Freude ausgelassen getanzt und mit Lobpreisliedern Gott gedankt, dass er ihr Leben gerettet hat. Besonders berührt hat es mich auch, als ich ein kleines Mädchen füttern konnte, das die ganze Zeit lächelte.

Gibt es auch unangenehme Herausforderungen bei der Nahrungsmittelverteilung?

Nun, nicht selten kommen bei einer Verteilung Leute auf uns zu, die wir leider nicht berücksichtigen können, weil wir uns um die am schlimmsten betroffenen Menschen kümmern müssen. Ebenso müssen wir diejenigen abweisen, die schon von anderen Organisationen unterstützt werden.

Es ist aber zum Glück noch nie zu tätlichen Auseinandersetzungen gekommen. Die Betroffenen ziehen sich meist enttäuscht und auch etwas verärgert zurück.

Welches sind die Hauptursachen für den Hunger im Südsudan?

Die Hungerkrise ist zum einen klimatisch bedingt durch Dürre. Gerade dieses Jahr gab es während der Regenzeit im Mai zu wenig Niederschlag. Und wenn dann der Regen fällt, sind es oft Unmengen an Wassermassen, die das Land überschwemmen.

Doch auch die politisch instabile Lage trägt wesentlich zur Hungerkrise bei. Der Bürgerkrieg hat dem Land arg zugesetzt. Zwar wird der seit Oktober 2018 geltende Waffenstillstand bisher eingehalten und viele geflüchtete Menschen kehren aus den Nachbarländern zurück. Doch bis sich die Wirtschaft erholt haben wird, dauert es wohl noch Jahre. Wir müssen also mit weiteren Hungerkrisen rechnen.

Wie schätzen Sie die Chance auf anhaltenden Frieden ein?

Ich bin recht zuversichtlich. Der Bürgerkrieg im Südsudan wurde vor allem auch vom ehemaligen sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir befeuert, indem er die Rebellen bewaffnete. Nun, da Bashir nicht mehr an der Macht ist, stehen die Chancen auf einen nachhaltigen Frieden im Südsudan nicht schlecht.

Was wäre wohl passiert, wenn CSI bei der Hungerkrise nicht eingegriffen hätte?

Ich bin mir ziemlich sicher, dass dann einige Menschen in unserem Einsatzgebiet verhungert wären. Andere hätten vermutlich versucht, in die Nachbarländer zu fliehen. Gerade in Aweil Ost und in Lol ist die UNO wenig präsent. Deshalb ist die Hilfe von CSI hier umso wichtiger.

Reto Baliarda

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