Syrien: Konsequente Vorbeugung gegen die Ausbreitung des Coronavirus

Offiziell ist Syrien von der Corona-Pandemie bisher kaum betroffen. Doch da die medizinische Versorgung im kriegsversehrten Land stark angeschlagen ist, sind konsequente Präventionsmassnahmen äusserst wichtig, erklärt CSI-Partner Dr. Nabil Antaki aus Aleppo. In Syriens zweitgrösster Stadt unterstützt CSI eine Verteilaktion und Aufklärungskampagne über das Coronavirus.

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Um eine Ausbreitung des Coronavirus in Schach zu halten, hat die syrische Regierung strikte Massnahmen ergriffen. So wurden bereits am 13. März 2020 sämtliche Schulen geschlossen und die Grenzen zu den Nachbarstaaten dichtgemacht. Restaurants, Cafés oder auch Diskotheken bleiben geschlossen. Ebenso finden keine kulturellen Veranstaltungen statt.

Die Reisetätigkeit zwischen den verschiedenen syrischen Provinzen ist nur beschränkt möglich. Seit dem 30. März gilt ausserdem eine landesweite Ausgangssperre von 18 Uhr abends bis 6 Uhr morgens. Kommt dazu, dass auf dem Flughafen in Damaskus kein internationaler Flugverkehr mehr möglich ist.

Die drastischen Vorkehrungen gelten auch für die kurdischen Gebiete im Nordosten und die von den islamistischen Rebellen besetzten Regionen im Nordwesten.

Erster Corona-Fall Ende März bekannt

Wer sich diese rigorosen Massnahmen zum Schutz vor einer COVID-19-Ansteckung zu Gemüte führt, könnte dem Glauben verfallen, dass es in Syrien bereits tausende von Corona-Infizierten gibt. Tatsächlich aber sind bis 14. April 2020 lediglich 29 Corona-Ansteckungen mit zwei Todesfällen offiziell bekannt. Die allererste infizierte Person – eine 20-jährige Frau, die aus dem Ausland nach Syrien zurückkehrte – wurde am 22. März gemeldet, rund vier Wochen später als in der Schweiz (24. Februar).

Doch erstaunlicherweise halten sich die Syrer sehr genau an die strikten Anweisungen der Regierung. Ausserdem tragen viele Menschen regelmässig Masken und Handschuhe und benutzen wenn immer möglich Desinfektionsmittel für ihre Hände.

Eine Pandemie wie in Europa würde Syrien überfordern

Wie CSI-Partner Dr. Nabil Antaki gegenüber dem Nachrichtensender RT-France erklärt, gibt es gute Gründe, dass die einschränkenden Massnahmen in der Bevölkerung konsequent eingehalten werden: «Unsere Infrastruktur ist wegen des Kriegs arg gebeutelt. Wir Syrer würden vor einem Scherbenhaufen stehen, wenn bei uns eine Corona-Epidemie ähnlichen Ausmasses wie in Europa ausbrechen würde. Würden sich bei uns in der Zwei-Millionen-Stadt Aleppo 1000 Menschen mit dem Coronavirus infizieren, müssten sich 100 Patienten einer intensiven Pflege mit Beatmungsgeräten unterziehen. Doch wir haben in Aleppo bei weitem nicht so viele Beatmungsgeräte. Deshalb ist es absolut dringend, dass die einschränkenden Massnahmen bei uns strikte eingehalten werden.»

Antaki betont ausserdem, dass noch mehr Menschen in Syrien aufs Coronavirus getestet werden müssen, allen voran Angestellte im Gesundheitswesen und Familienmitglieder von Corona-Patienten. Er selbst habe in seinem Spital in Aleppo nicht die Möglichkeit, Patienten mit Verdacht auf Coronavirus zu diagnostizieren. «Wenn sich in meinem Spital ein Verdachtsfall ergibt, werden die Proben nach Damaskus gesendet und dort allenfalls bestätigt.»

Antaki fordert Aufhebung der Sanktionen

Die strikte Einhaltung der Massnahmen gegen die Corona-Pandemie stellt das ohnehin schon leidgeprüfte syrische Volk vor noch grösseren Herausforderungen. Die hohe Arbeitslosenrate und die Preise steigen zusätzlich. Alltägliche Güter zur Deckung der Grundbedürfnisse sind noch rarer geworden. Die internationalen, von der UNO jedoch nicht gutgeheissenen Wirtschaftssanktionen gegen Syrien haben schon zuvor tausende Syrer in den Ruin getrieben. Durch die Corona-Pandemie haben sich die gefährlichen Auswirkungen der Sanktionen noch verstärkt, warnt Nabil Antaki. Der CSI-Partner betont daher unmissverständlich: «Die Europäische Union und die Vereinigten Staaten täten gut daran, die Sanktionen gegen Syrien aufzuheben.»

Auch CSI-Projekte betroffen

Von den Bestimmungen zum Schutz gegen eine Coronavirus-Ausbreitung sind auch einige CSI-Projekte in Syrien betroffen. Unsere Partner müssen kreativ sein, um die Arbeit trotzdem weiterführen zu können.

Das gilt beispielsweise für die Tätigkeit von CSI-Partner Iskandar Agobian, der im November 2019 ein Kinder- und Frauenzentrum in Wadi-ash Shater in der Küstenstadt Tartus eröffnete. In diesem Zentrum werden 80 Kinder betreut. Ebenso nehmen 15 Frauen an psychologisch-therapeutischen Gruppengesprächen teil. Weitere 20 Frauen werden zur Coiffeuse ausgebildet. Wegen der Corona-Pandemie musste das Zentrum geschlossen werden.

Der initiative Syrer hat jedoch inzwischen eine alternative Betreuungsmöglichkeit gefunden. So nahm er kurzerhand ein neues Zentrum in ar-Rastan, einer vom Krieg schwer gezeichneten Stadt 20 Kilometer nördlich von Homs, in Betrieb. Da Iskandar jedoch selbst nicht dorthin kann, hat er zwei Frauen aus ar-Rastan angestellt, die nun je zehn Kinder betreuen, sie in Zeichnen und bildnerischem Gestalten anleiten und ihnen so eine sinnvolle Beschäftigung in Zeiten des Stillstands ermöglichen. So sind bereits mehrere kleine Kunstwerke entstanden.

Auch Kinder, die in Tartus betreut wurden, erhalten von Iskandar während des Lockdowns Malutensilien, damit sie zuhause ihre kreativen Aktivitäten fortführen können. Zudem bleibt Iskandar mit seinem Betreuungsteam über die sozialen Medien in Kontakt. Die von ihm angestellten Frauen erhalten weiterhin ihren Lohn.

CSI unterstützt Einsatz gegen die Pandemie

Im Kampf gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie in Syrien, die laut Dr. Nabil Antaki fatale Folgen für sein Land hätte, unterstützt CSI die Aktivitäten der Armenisch-Protestantischen Gemeinschaft in Aleppo. Die einheimischen Partner vor Ort verteilen Nahrungsmittel und Medikamente an Menschen, die nun wegen des Lockdowns eine noch grössere Misere durchleben. Ferner klärt die Gemeinschaft in Workshops die Bevölkerung über die Gefahren von COVID-19 auf, bringt ihnen die wichtigsten Verhaltensregeln zum Schutz vor einer Ansteckung bei und verteilt Gesichtsmasken wie auch Seifen und Desinfektionsmittel.

Die Armenisch-Protestantische Gemeinschaft ist auch sehr aktiv in der digitalen Präventionsarbeit gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Zudem führten sie eine grossräumige Desinfektion ihrer Bethelkirche sowie des angrenzenden Gebiets durch. Und in der Armenisch-Evangelischen «Bethel-Polyklinik» in Aleppo geht das Ärzte- und Pflegeteam die Gefahr einer möglichen Ausbreitung von COVID-19 sehr professionell an. Das Team steht auch in ständigem Kontakt mit Gesundheitsbehörden. Patienten, die an Coronavirus-Symptomen und anderen Erkrankungen leiden, werden kostenlos medizinisch betreut.

Reto Baliarda

Quellen: CSI-Partner, RT-France, Wikimedia

Hier können Sie für die verletzlichsten Opfer der Corona-Pandemie spenden, vielen Dank.

 

Medienmitteilung von CSI zu den Sanktionen:

CSI fordert vom Bundesrat Lockerung der wirtschaftlichen Sanktionen gegen Syrien

 

 

 

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