23. April 2016

Todesstrafe wegen Blasphemie

Im Januar 2016 wurde Abdul Inyass wegen angeblicher Blasphemie gegen Mohammed zum Tode verurteilt. Der verurteilte Muslim gehört einem Gewalt ablehnenden Sufi-Orden an.

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Kano, wo die Verurteilungen stattfanden, ist Nigerias zweitgrösste Stadt und Hauptstadt des gleichnamigen nördlichen Bundesstaates. Kano gilt mit seiner derzeitigen Regierung als Bollwerk eines aggressiven, sunnitisch orthodoxen Islams. Dieser will die Islamisierung Nigerias vorantreiben, dessen Gesamtbevölkerung etwa je zur Hälfte aus Muslimen im Norden und Christen im Süden besteht.

Zwar dürfen Nichtmuslime in Kano ebenso wenig wie in den anderen elf «Scharia-Bundesstaaten» gezwungen werden, ihre Fälle von einem Scharia-Gericht behandeln zu lassen. Doch seit der Einführung der Scharia zur Jahrtausendwende (in Kano im Juni 2000) dürfen dort ebenso wenig wie in den anderen elf Scharia-Staaten Kirchen repariert, geschweige denn gebaut werden.

Den staatlichen islamischen Kleidungsvorschriften müssen sich auch Andersgläubige unterwerfen. Frauen dürfen nicht Auto fahren. Ebenfalls ungeachtet der Religion sind alle Bewohner der Scharia-Staaten einem strengen Alkoholverbot sowie einer strikten Geschlechtertrennung unterworfen. Letzteres gilt für alle öffentliche Verkehrsmittel sowie für Schulen und Spitäler, ja für sämtliche staatliche Einrichtungen schlechthin.

Und nicht zuletzt verübte die islamistische Terrorbewegung «Boko Haram» (dt.: westliche Erziehung ist Sünde) im vergangenen Jahrzehnt gerade in Kano wiederholt blutige Anschläge. Bislang forderten sie hunderte von Todesopfern. Von der dortigen Regierung wie von den Regierungen der anderen Scharia-Staaten, in denen sich ähnliche Gräueltaten zutrugen, wurden sie bislang rechtlich kaum geahndet.

Ein Satz genügte?…

Am 5. Mai 2015 hielt Abdul Inyass, Prediger eines Sufi-Ordens, eine Ansprache anlässlich einer von Anhängern organisierten Veranstaltung in der Stadt Kano. Dabei soll er geäussert haben, der Gründer seiner Tijaniyya-Gemeinschaft sei «grösser als der Prophet Mohammed» gewesen. Kurz danach wurden neun Gefolgsleute von Inyass festgenommen und der «Lästerung des Propheten» bezichtigt.

Als die Angeklagten am 22. Mai erstmalig vor Gericht erschienen, brachen von radikalen Muslimen ausgelöste gewalttätige Unruhen aus. In der Folge wurden Inyass‘ Haus und sogar Teile des Gerichtsgebäudes niedergebrannt. Die weiteren Verhandlungen fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Von den Blasphemie-Angeklagten wurden vier freigesprochen, über die übrigen fünf wurde im Juni indessen die Todesstrafe verhängt. Abdul Inyass selber konnte sich in Nigerias Hauptstadt Abuja vorübergehend in Sicherheit bringen. Doch am 18. August 2015 wurde auch er verhaftet, nach Kano zurückgebracht und am 5. Januar 2016 wegen Blasphemie und Anstachelung zu gewalttätigen Ausschreitungen ebenfalls zum Tode verurteilt.
Max-Peter Stüssi 


Moderater Islam am Pranger

Inyass und die übrigen Verurteilten gehören der Tijaniyya-Gemeinschaft an, einem Sufi-Orden. Dieser steht dem orthodoxen Sunni-Islam ablehnend gegenüber und engagiert sich auch politisch gegen die Schaffung eines islamischen Staats.

Anders als beim Wahabismus saudischer Herkunft orientiert sich das Glaubensleben der Tijaniyya zudem nicht an einem Verständnis des Dschihad als Anstrengung zur Unterwerfung der ganzen Welt unter den Islam. Vielmehr rücken Grundsätze des inneren Glaubenslebens des Einzelnen in den Vordergrund. Zu dieser mystischen Ausprägung des Islams gehören die Bitte um persönliche Sündenvergebung, Gebete an den Propheten Mohammed und ein vorbehaltloser Glaube an Gottes Einzigkeit.


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