Vergewaltiger kaufen sich frei

Dass Christinnen von Muslimen entführt und vergewaltigt werden, kommt in Pakistan immer wieder vor. Gerichtsfälle sind jedoch selten. Im Fall von Maria Jalal kommen die Täter nun trotz Gerichtsverfahren straffrei davon. Die Richterin Christine Schaer beurteilt den Fall aus Schweizer Sicht.

pak191103prv-1-e1601277099227

Die 15-jährige Christin Maria Jalal war von fünf Muslimen entführt und während zwei Tagen brutal geschlagen und vergewaltigt worden. Die CSI-Partnerin Mehwish Bhatti* besuchte Maria nach ihrer Freilassung regelmässig. Dank der Unterstützung von CSI konnten die Anwaltskosten, das Leben im Schutzhaus und eine Privatlehrperson finanziert werden.

Die Familie hatte den Mut gehabt, die fünf Täter vor Gericht zu bringen – trotz Drohungen und der Angst um die Ehre ihrer Tochter. Maria nahm die Pein auf sich, in Anwesenheit der Vergewaltiger vor Gericht auszusagen. Ein letztes Mal hätte sie das noch tun müssen – doch leider ging die Familie auf ein verlockendes Angebot der fünf Täter ein: Diese boten Marias Familie umgerechnet rund 35 000 Franken an, wenn sie die Anzeige zurückzöge. Die Täter sind wieder auf freiem Fuss. Man tut, als sei nie etwas vorgefallen.


«Auf jeden Fall falsch»

CSI: Frau Schaer, wie beurteilen Sie als langjährige Richterin im Kanton Bern diesen Fall?

Christine Schaer: Ich finde diesen Fall vor dem Hintergrund unseres Rechtssystems und unserer Gesetze auf jeden Fall falsch. Jene, die Geld haben, werden bevorteilt. Das einzig Positive sehe ich darin, dass Maria Jalal nun wenigstens recht viel Geld für ihr weiteres Leben hat. Das bringt ihr an sich mehr als die Täter im Gefängnis. Es müsste aber beides sein – Bestrafung und Geld.

Warum ist ein solcher «Kuhhandel» in der Schweiz unvorstellbar?

Bei einer Vergewaltigung wird bei uns von Amtes wegen ermittelt: Sobald die Behörde vom Delikt erfährt, muss sie etwas tun.

Wann gibt es bei uns die Möglichkeit einer Einigung?

Aussergerichtliche und auch gerichtliche Vergleiche gibt es bei Antragsdelikten, wenn das öffentliche Interesse nicht besonders gross ist. Also zum Beispiel bei Tätlichkeiten, Sachbeschädigung, Ehrverletzungen oder Hausfriedensbruch.

Wie verhält es sich mit Genugtuung und Schadenersatz?

Wer widerrechtlich, zum Beispiel durch ein Delikt, zu Schaden gekommen ist, kann diesen vom Verursacher zurückfordern. Genugtuung ist für die immaterielle Unbill, also Schmerzensgeld.

Pakistan-Projektmanagerin und Adrian Hartmann

Weiterer Bericht über Maria Jalal

* Name geändert

Ihr Kommentar zum Artikel

Wir freuen uns, wenn Sie hierzu eine Rückmeldung oder Ergänzung haben. Themenfremde, beschimpfende oder respektlose Kommentare werden gelöscht.


The reCAPTCHA verification period has expired. Please reload the page.

Kommentar erfolgreich abgesendet.

Der Kommentar wurde erfolgreich abgesendet, sobald er von einem Administrator verifiziert wurde, wird er hier angezeigt.