15. Mai 2015

Verlorener Sohn kehrt heim

Als kleiner Junge wurde der heute 21-jährige Deng Yom Malith von arabischen Reitermilizen als Sklave in den Norden verschleppt. Jahre später kehrt er zurück und sieht seinen Vater wieder. Beide sind überglücklich.

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Das ist ein Wiedersehen! Nach jahrelanger Gefangenschaft im Sudan kehrt Deng Yom Malith in den Südsudan zurück, wo er seinen Vater trifft. Deng ist einer von über 100’000 Versklavten, die CSI in den letzten 20 Jahren befreien und in ihre Heimat zurückbringen konnte. Er erzählt:

Dengs Geschichte

«Ich war etwa acht Jahre alt. Damals war noch Krieg. Wir lebten in Tiitchok (Bundesstaat Nördlicher Bahr el-Ghazal). Ich hütete an diesem Tag die Ziegen. Als mir jemand sagte, dass arabische Reitermilizen aus dem Norden in der Nähe seien, hatte ich grosse Angst. Ich versteckte mich den ganzen Tag über im Wald. Bei Sonnenuntergang entschloss ich mich aber doch, nach Hause zurückzukehren. Auf dem Wege fiel ich den Milizen in die Hände.

Ein Araber namens Sadiq nahm mich gefangen und führte mich zu einer Gruppe mit weiteren Gefangenen. Ich weinte, doch Sadiq versprach, mich zu meinen Eltern zu bringen. So setzten wir unseren Weg fort. Unterwegs wurden einige der Gefangenen wahllos erschossen. Andere wurden grausig verstümmelt. Ich hatte schreckliche Angst, wagte aber nicht mehr zu weinen oder aufzubegehren.

Als wir zu Sadiqs Dorf kamen, fragte ich nach meinen Eltern. Doch Sadiq fuhr mich an, ich solle keine weiteren Gedanken an sie verschwenden. In der folgenden Zeit musste ich für Sadiq arbeiten und sein Vieh hüten. Er zwang mich auch dazu, wie ein Muslim zu beten. War er in der Nähe, musste ich islamische Gebete rezitieren, dann war er zufrieden. Wenn ich alleine war, tat ich es nie. Zu Hause war ich immer gerne in die Kirche gegangen.

Besonders schlimm waren für mich die ständigen Beleidigungen, die ich von Sadiqs Kindern ertragen musste. Sie schimpften mich «jengai» (Neger), «abd» (Sklave) oder «kafir» (Ungläubiger). Sie schlugen mich auch regelmässig. Jedes Mal, wenn ich mich zu verteidigen suchte, erzählten sie Sadiq davon, worauf ich auch von ihm Schläge bekam.

Eines Tages war ich sehr krank. Doch Sadiq zwang mich, trotzdem nach dem Vieh zu schauen. Ich beschloss, zu fliehen. So ging ich mit den Kühen weg und lief einfach weiter, ohne zu wissen wohin. Lieber wollte ich im Wald sterben, als zu Sadiq zurückzugehen. Schliesslich traf ich auf ein anderes Viehlager, wo ich die nächsten Jahre arbeitete. Ich sehnte mich immer wieder nach meiner Heimat zurück. Es gab jedoch keine Möglichkeit zu entkommen.

Eines Tages erfuhr ich von einem anderen Sklaven – er gehörte wie ich zum Stamm der Dinka –, dass es Leute gebe, die Sklaven helfen, zurück in den Süden zu kommen. Er erklärte mir, wie ich in Kontakt mit ihnen kommen könnte. Wenige Tage später war ich bereits mit einer Gruppe auf dem Weg in meine Heimat.»

Von Freude überwältigt

Zurück im Süden nimmt ihn sein Vater, Michael Yom Malit, in Empfang. Der Vater kann sein Glück kaum fassen: «In meiner Kirche lesen wir seit Jahren jedes Mal, wenn wieder Sklaven ankommen, ihre Namen vor. Dieses Mal hörte ich plötzlich den Namen meines Sohnes. Ich wurde von Freude überwältigt und machte mich sofort auf den Weg, um ihn abzuholen. Jetzt hoffen wir, dass auch seine Mutter und seine beiden Brüder freikommen. Sie sind noch immer im Norden. Ihr Schicksal liegt in Gottes Händen.»

Benjamin Doberstein


Sklavenbefreiung im Sudan

Während Jahrzehnten tobte im Sudan ein Bürgerkrieg, der neben wirtschaftlichen auch ethnische (Araber gegen Schwarzafrikaner) und religiöse Motive (Muslime gegen Christen und Animisten) hatte. Hunderttausende wurden aus dem christlich-animistischen Süden in den arabischen Norden verschleppt und versklavt. Mit dem Friedensabkommen von 2005 hörten die Sklavenjagden auf.

CSI begann bereits 1995, die ersten Sklaven zu befreien. In den letzten 20 Jahren gelang es, über 100’000 Südsudanesen in ihre Heimat zurückzubringen. Bis heute werden nach vorsichtigen Schätzungen noch über 20’000 Menschen als Sklaven gehalten. CSI will weitermachen, bis der letzte Sklave frei ist.

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