20. Juni 2018

Ein Einblick in die Arbeit der Sklavenbefreiung

Bei der Sklavenbefreiungsarbeit sind die Rückführer in extremem Maß gefordert. Ausschlaggebend für eine gelungene Befreiung sind vor allem Verhandlungsgeschick, aber auch Entschlossenheit. Ein Überblick über die Arbeit der Sklavenbefreier.

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Wie erfahren die Sklavenbefreier überhaupt, wo sich Sklaven aus dem Südsudan befinden? In einem Interview mit CSI erklärte Befreier Saleh*: «Wir haben im Sudan ein Komitee, das versucht, Sklaven aufzuspüren.»

Wichtig: Rückhalt der lokalen Dorfvorsteher

Bei der «standesgemäßen» Befreiung besucht der Rückführer den Sklavenhalter zuhause. Zuvor sucht er den Kontakt mit den lokalen Scheichs, um sich die Legitimation und den Rückhalt zu sichern. «Mit den Scheichs vor Ort schließen wir eine Vereinbarung ab: Wir bieten ihnen Impfstoff für ihr Vieh im Gegenzug dafür, dass sie ihre Sklaven freilassen.» Daraufhin holen sie die Sklaven in kleinen Grüppchen ab und bringen sie zu einer Sammelstelle, bevor die Rückführung in den Südsudan beginnt.

Zuweilen weigern sich die Sklavenhalter zunächst, den Sklaven freizugeben, sodass mehrere Besuche beim Sklavenhalter nötig sind, damit dieser auf den «Tauschhandel» eingeht. Sklavenbefreier Saleh kennt diese Situationen. Dabei erklärt er, dass er jeweils versuche, Sklaven um jeden Preis freizubekommen. Das Komitee der Sklavenbefreier holt in solchen Fällen die Scheichs, um mit den renitenten Sklavenhaltern zu verhandeln. «Manchmal müssen wir ihnen die doppelte Menge Impfstoff geben, damit sie ihre Sklaven freilassen. Und manchmal müssen die Scheichs die Sklaven mit Gewalt von ihren Herren holen», spricht Saleh Extremsituationen an.

Auch die Befreiung von n Ken Akok Akooh gelang nicht auf Anhieb. Ken war im Jahre 1998 versklavt worden. Wegen jeder Kleinigkeit wurde er von seinem Sklavenhalter und dessen Kindern beschimpft, erniedrigt und misshandelt. Trotzdem wagte er es nicht, zu fliehen, denn er hatte selbst gesehen, wie einige Sklaven nach einem missglückten Fluchtversuch getötet wurden. «Das hatte mich so eingeschüchtert, dass ich es selbst lieber nicht versuchte.» Zudem wäre eine Flucht auf eigene Faust sehr gefährlich gewesen. Denn selbst wenn er entkommen wäre, an wen hätte er sich wenden sollen? Als südsudanesischer Sklave wäre es sehr schwierig geworden, im Sudan Unterstützung zu finden.

Erst nachdem ein Sklavenbefreier im Frühling 2017 zweimal innerhalb weniger Tage vorbeikam und dem Sklavenhalter Impfstoffe für die Tiere gegeben hatte, konnte Ken mit seinem Befreier gehen.

Begegnung auf dem Markt

Es kommt auch relativ oft vor, dass die Befreier Sklaven auf dem Markt treffen. Wie Südsudan-Projektmanager Franco Majok mitteilt, können Sklaven alleine auf den Markt gehen, um Lebensmittel und andere Güter für die Familie des Sklavenhalters zu besorgen. Der Befreier nimmt den Sklaven dann direkt in sein Lager mit anderen ehemaligen Sklaven mit, ohne den Sklavenhalter zu kontaktieren.

So verhielt es sich bei n Ajak Deng Diing Ende Januar 2018. Ajak wurde als Sklavin schlecht behandelt und von der Frau des Sklavenhalters regelmäßig angeschrien und beschimpft. Zudem musste sie die schmerzhafte Mädchenbeschneidung über sich ergehen lassen und wurde gezwungen, den Islam anzunehmen.

Als sie eines Tages einen Markt im Nachbardorf besuchte, traf sie einen Sklavenbefreier mit seinem Team. Der Befreier teilte ihr mit, dass er versklavte Menschen zurück in den Südsudan bringen wolle. Ajak offenbarte ihm, dass sie selbst Sklavin sei und zögerte keinen Augenblick, mit ihm zu gehen. Der Befreier brachte sie in ein Lager mit vielen anderen befreiten Sklaven und führte sie alle im Februar 2018 zurück in ihre Heimat.

Ebenso kann eine Befreiung zustande kommen, indem der Befreier den Sklaven bei der Arbeit trifft und ihm dort zur Flucht verhilft. Ein solcher nicht ungefährlicher Fall ereignete sich Anfang 2018. Der Befreier begegnete dem Sklaven n Garang Mathok Abu, als dieser für die Familie des Sklavenhalters Wasser holen musste.

Der Befreier fragte Garang nur, ob er ein Dinka sei und als Sklave bei Arabern leben würde. Als Garang beides bejahte, fragte der Befreier, ob er mit ihm in den Südsudan gehen wolle. «Ich sagte ihm, dass mir nichts lieber wäre», so Garang. Daraufhin forderte ihn der Sklavenbefreier auf, zum nahe gelegenen Wald zu gehen und sich dabei so zu verhalten, als ob er dort etwas verrichten müsse. Dort solle er auf ihn warten. Garang folgte den Anweisungen. Und nachdem sich die beiden im Wald wieder getroffen hatten, nahm der Befreier Garang mit in sein Lager, um anschließend die Sklaven in den Südsudan zurückzuführen.

Gefährliche Flucht

Die dritte Variante ist die Flucht des Sklaven. Sklavenbefreier Saleh betont, dass eine solche Flucht sehr gefährlich sein kann. Dies vor allem, wenn es sich um einen gesunden Sklaven handelt, der entkommen ist.

Sklavin  Ajok Avac Buk gelang es, zu fliehen. Sie erlebte eine Schreckenszeit während der Sklaverei und konnte sich bei ihrer Arbeit so viel Mühe geben, wie sie wollte. Immer wieder wurde sie vom sudanesischen Sklavenhalter erniedrigt, geschlagen und auch sexuell missbraucht. «Auch wurde ich zum Islam zwangsbekehrt und musste die grausame Mädchenbeschneidung über mich ergehen lassen.» In ihrer Verzweiflung dachte Ajok häufig an die Flucht. Doch wohin hätte sie fliehen sollen, in einem Umfeld, in dem Menschen aus dem Südsudan häufig wie rechtlose Wesen behandelt werden, und in dem die meisten ohnehin einer anderen Kultur und Religion angehörten?

Umso ermutigender war es für Ajok, als die Nachricht die Runde machte, dass sich ein Sklavenbefreier in ihrer Gegend aufhalten würde, der Dinkas zurück in den Süden bringt. «In jener Nacht wartete ich auf eine günstige Gelegenheit und ergriff die Flucht. Ich hatte schreckliche Angst, dass mich mein Sklavenhalter erwischen würde.» Ajok war sich bewusst, dass es verheerende Folgen haben würde, wenn man sie auf der Flucht ertappen würde.

«Zum Glück dauerte es nicht lange, bis ich den Befreier in einem Nachbardorf fand. Er nahm mich sogleich mit in sein Lager, wo ich weitere befreite Dinkas antraf. Zusammen mit unserem Befreier waren wir mehrere Tage und Nächte zu Fuß unterwegs nach Dinkaland.»

Ajoks Beispiel zeigt auch, dass die Sklaven nur dann fliehen, wenn sie wissen, dass sich ein Befreier ganz in ihrer Nähe aufhält. «Jeder unorganisierte Fluchtversuch ist zu gefährlich und kann für den betreffenden Sklaven tödlich enden», erklärt Franco Majok.

Dass Ajok nach der Begegnung mit dem Befreier unverzüglich ins Lager gebracht wurde und kurz darauf die Rückführung stattfand, hat seinen guten Grund. Dazu Saleh: «Gerade bei gesunden Sklaven, die geflohen sind, suchen ihre Halter nach ihnen und versuchen, sie mit Gewalt von uns wegzunehmen. Deswegen bemühe ich mich, entflohene Sklaven so schnell wie möglich in den Süden zu bringen.»

Somit bleibt die Rückführung der Versklavten ein nicht immer einfaches, manchmal auch gefährliches Unterfangen. Dank dem Netzwerk und der langen Beziehungen im Südsudan kann und wird CSI diese Arbeit weiterführen. Nach vorsichtigen Schätzungen befinden sich noch über 20 000 Menschen im Sudan in Sklaverei.

Reto Baliarda

 

 

 

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