31. Dezember 2017

Internationale Konferenz für verfolgte Christen

Verfolgte Christen fühlen sich allzu oft von den Regierungen westlicher Länder im Stich gelassen. Umso dankbarer sind sie für Unterstützungen, die sie finden können. Dazu zählen auch aktuelle Entwicklungen in Ungarn.

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Ungarn war in den letzten Jahren wegen seiner restriktiven Einwanderungspolitik zunehmend ins Kreuzfeuer geraten. Ungeachtet dessen verabschiedete das ungarische Parlament im Dezember 2016 in seltener Einigkeit (mit 175 Ja- und einer Neinstimme sowie 3 Enthaltungen) eine Resolution zur «Verurteilung der Verfolgung von Christen und Genoziden im Nahen Osten und in Afrika».

Diese Resolution «fordert alle Länder der Welt auf, sich mutig und aktiv für die Verteidigung jener einzusetzen, die unter Verfolgung leiden.» In Solidarität mit bedrohten Völkergemeinschaften verurteilt sie die Gräueltaten, die vom sogenannten «Islamischen Staat» und ähnlichen Gruppierungen begangen wurden, als «Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen».

Zustimmung von links und rechts

Das nahezu einstimmige Abstimmungsergebnis zeigt, dass es sich hier nicht nur um ein Projekt der kontroversen Orban-Regierung und seiner Regierungskoalition handelt. In einer Rede zur Befürwortung des Textes erklärte Gergely Bárándy, Mitglied des Parlaments von der Mitte-Links-Oppositionspartei: «Es ist eine Tatsache, dass im Irak und in Syrien Genozide und schlimme Gewalttaten gegen die christliche Bevölkerung verübt werden. Jeder von uns – jeglicher Mensch guten Willens – kann nur zustimmen, dass diese Taten verurteilt werden müssen. Wir müssen die Verfolgten verteidigen und ihnen beistehen.»

Vergesst uns nicht!

Im Oktober 2017 fand eine Konferenz der ungarischen Regierung in Budapest statt mit dem Thema «Internationale Beratung zur Christenverfolgung – Suche nach Antworten auf eine lang vernachläßigte Krise». Es war die erste Konferenz dieser Art, an der über 300 Kirchenführer, Politiker und Menschenrechtsaktivisten aus über 30 Ländern teilnahmen. CSI war vertreten durch John Eibner, einem Mitglied des internationalen Managements, und Péter Viz, Leiter von CSI-Ungarn.

Mehrere Kirchenführer aus den östlichen Ländern sprachen über die Misere ihrer Gemeinden, die schon seit Jahren von Krieg und Vertreibung geplagt sind. Der Patriarch der syrisch-orthodoxen Kirche, Mor Ignatius Aphrem II., warnte, dass die Christen im Nahen Osten schon bald zu Museumsstücken verkommen könnten. «Bei uns in Syrien werden Menschen von extremistischen Gruppen getötet, die zum Teil von westlichen Mächten unterstützt werden. Und dies wird von der internationalen Gemeinschaft ignoriert», erklärte er. Der Patriarch der syrisch-katholischen Kirche, Ignatius Youssef III Yonan, stimmte ihm dabei vollumfänglich zu.

Angesichts der weit verbreiteten Gleichgültigkeit der westlichen Regierungen gegenüber dem Schicksal der christlichen Gemeinden im Nahen Osten zollten die Kirchenführer der ungarischen Regierung Anerkennung dafür, dass sie das Problem ernst nimmt.

Zentrum beim Kampf gegen Christenverfolgung?

Die Konferenz ist kein isoliertes Ereignis. Sie ist vielmehr die Folge einer klaren Devise der ungarischen Regierung: «Ungarn will ein Zentrum für Organisationen werden, die sich gegen die Verfolgung von Christen einsetzen», erklärte Bence Rétvári, Staatssekretär des Ministeriums für personelle Kapazitäten, im Januar 2017 bei einer Dis­kussion mit führenden NGOs für Menschenrechte, bei der auch CSI vertreten war.

Im September 2016 wurde von der ungarischen Regierung ein stellvertretendes Staatssekretariat zur Unterstützung verfolgter Christen eingerichtet, das sich sowohl auf deren Verteidigung als auch auf humanitäre Hilfe konzentriert. «Es ist unser oberstes Ziel, uns dafür einzusetzen, dass die verfolgten Christen in ihrer angestammten Heimat bleiben und ihre Gemeinden stärken können», lautete die Pressemitteilung.

Hilfe für den Wiederaufbau

Seitdem hat das Sekretariat mehr als zwei Millionen Euro für humanitäre Hilfe im Irak durch das Programm «Ungarn hilft» eingesetzt, von der Verteilung von Lebensmitteln bis zum Wiederaufbau von über 100 Häusern in der irakischen Stadt Telskuf. Im Gegensatz zu anderen Regierungen kanalisiert die ungarische Regierung die Hilfe direkt durch die lokalen Kirchen.

Zeichen der Hoffnung

Am Schluss der Konferenz im Oktober 2017 sagte der Stellvertretende Staatssekretär zur Unterstützung verfolgter Christen, Tristan Azbej: «Es ging darum, Samen auszusäen, die zum Erfolg wachsen. So hoffen wir, weitere Regierungen zur Unterstützung unseres Anliegens zu finden.» Italien hat bereits Interesse zur Zusammenarbeit angemeldet.

2011 verabschiedete Ungarns Regierung ein neues Kirchengesetz, das eine erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber der Religionsfreiheit beinhaltet. Immerhin keimt bei vielen in Not geratenen Menschen im Nahen Osten Hoffnung auf, weil ein europäischer Staat so viel Energie investiert, um ihnen zu helfen. Ob die Schweiz oder andere Länder diesem Beispiel folgen werden und inwieweit die Initiative Ungarns eine tatsächliche Änderung bewirken wird, bleibt abzuwarten.

Hélène Rey

 

 


 

CSI in Ungarn

Nach dem Fall des kommunistischen Regimes in Europa organisierte CSI 1990 eine erste internationale Konferenz für Zentral- und Osteuropa in Budapest, an der Kirchenführer und Dissidenten über die Zukunft der Kirchen in diesen Ländern diskutierten.

Seit 1991 gibt es eine CSI-Vertretung in Ungarn unter der Leitung von Péter Viz. Seit 2005 ist CSI-Ungarn eine offizielle Stiftung.

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